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Stille(r)s Schicksal

Stille(r)s Schicksal

Titel: Stille(r)s Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Kunze
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gegenüber zu treten.
    "Nun reiß dich mal zusammen", schalt er sich so laut, dass eine vorübergehende Patientin zusammen zuckte und ihn vorwurfsvoll anschaute.
    Sven murmelte: "Entschuldigung, es ist sonst nicht meine Art, vor mich hin zu quatschen. . ."
    Die Frau nickte verständnisvoll, raffte ihren Bademantel zusammen und ging langsam weiter.
    Vielleicht gab es ja doch noch einen anderen Ausweg, dachte Sven, auch dann, wenn die schlimmen Dinge, die der Arzt ihm berichtet hatte, tatsächlich eintreffen sollten ...
    Blitzartig wurde ihm klar: Er musste sich den Tatsachen stellen, jetzt für Anne und das Kind da sein! Jetzt und für alle Zeit, die ihnen noch blieb. Das schien ihm das einzig Richtige und Mögliche zu sein.
    Immer noch etwas benommen wickelte Sven die unterwegs am Straßenrand erstandenen Blumen aus der Folie, warf die Verpackung in einen der aufgestellten Abfallbehälter, bevor er an die Tür mit der Nummer Dreizehn klopfte.
    War das nicht auch ihre Zimmernummer auf Teneriffa gewesen? Er empfand diesen Zufall trotz allem als ein gutes, ein hoffnungsvolles Zeichen für sie beide und trat ein.
    In dem länglichen Zimmer herrschte eine dämmrige Stille, die Sven hier eigentlich nicht erwartet hatte. Er war offenbar der erste Abendbesucher, denn bei seinem Eintreten, waren die Romanheftchen, Bücher, Zeitschriften und Zeitungen fast gleichzeitig raschelnd auf die Bettdecken gesunken. Vier Augenpaare schauten ihm erwartungsvoll entgegen. Drei von ihnen wandten sich aber auch gleich wieder von ihm ab, den interessanteren Geschichten zu, als sich der junge Mann nicht als ihr erwarteter Besuch erwiesen hatte. Nur aus dem letzten Bett, hinten an der Wand, da schauten ein paar tiefblaue Augen weiter in seine Richtung.
    Ihre Blicke begegneten sich wie seinerzeit in der Hotelhalle in El Medano. Die Zeit, die zwischen diesen beiden Begegnungen verstrichen war, schrumpfte auf ein Nichts zusammen, sie fühlten, wie die Luft zu vibrieren begann, sie hatten sich so sehr nacheinander gesehnt, das wurde in diesem Moment beiden klar. Sven begann zu laufen, um Anne endlich in die Arme zu nehmen. Es war ihm egal, dass alle es sehen konnten, wie sehr es ihn zu Anne zog, auch, dass ihm Tränen über die Wangen liefen.
    "Anne!" wollte er rufen, "wir gehören zusammen - egal was kommt!"
    Doch er brachte nur ein paar undefinierbare Laute heraus, verlangsamte sogar seine Schritte, denn Anne senkte plötzlich ihren Blick.
    Er konnte sehen, wie ihr Gesicht sich verschloss, er sah auch, wie sie rot wurde, aber er war sich überhaupt nicht mehr sicher, ob es vor Freude geschah.
    Er fragte sich ängstlich, ob es ihr vielleicht doch nicht so ergangen war wie ihm? Hatte sie etwa doch nicht ständig an ihn denken müssen? Hatte sie sich womöglich gar nicht nach ihm gesehnt? Mit jeder Faser ihres Herzens?
    Sven weigerte sich zu glauben, was er doch ganz deutlich sah: Sie war im Begriff, sich zurückzuziehen. Sie wolle ihn nicht sehen!
    "Um keinen Preis!" Das hatte ihm Dr. Ohnesorg doch schon verraten. Aber vielleicht hatte der auch nicht an diese Verweigerung geglaubt? Warum sonst hätte er es Sven erzählen und ihn ermutigen sollen, doch zu ihr zu gehen?
    Wieder blickte sie zu ihm auf, und in dem Moment hatte sie keine Kraft mehr, ihren Widerstand noch weiter aufrecht zu erhalten.
    Als er sich endlich über sie beugte und sie sanft in seine Arme nahm, bedeckten sie ihre feuchten Gesichter mit Küssen.
    Um ihre schmunzelnden oder neidischen Zuschauer kümmerten sie sich nicht.
    Ganz benommen von seinen durcheinander wirbelnden Gefühlen murmelte er wieder und wieder:"Ach Anne, meine Anne, meine Einzige, meine Liebste, es wird alles gut!"
    Er wollte selbst ganz fest an diese Worte glauben.
    "Sei still", bat Anne ihn unter Tränen und legte ihre durchscheinende Hand auf seinen heißen Mund.
    "Es genügt schon, wenn du da bist."
    Sie wusste selbst nicht, was mit ihr los war. Bis vor ein paar Minuten noch wollte sie ihn auf keinen Fall wiedersehen. Sie wollte nicht, dass Sven sich mit ihrer Krankheit und dem Kind belastet. Wer weiß, ob es überhaupt leben wird, hatte sie sich manchmal gefragt, und strikt verboten, den
Kindesvater
zu benachrichtigen. Doch jetzt, da er unaufgefordert und überraschend vor ihr stand, kam ihr das alles ziemlich unsinnig vor.
    Sie fühlte wieder, wie stark er sie liebte, und das machte sie sehr glücklich. Jedenfalls für einen kurzen Augenblick.
    Doch gerade deshalb wollte sie ihm reinen Wein

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