Stille(r)s Schicksal
eingestehen.
"Nein!", widersprach er laut, aber niemand schaute mehr herüber, "nein, das kommt gar nicht in Frage, ich werde dafür sorgen, dass du wieder gesund wirst!"
Später war noch genug Zeit, darüber nachzugrübeln, was in dem Falle zu tun sei, dachte er. Ihm würde schon etwas einfallen.
Anne war von der Aufrichtigkeit seiner Absichten ebenso überzeugt wie von deren Aussichtslosigkeit. Dass es die Liebe war, die aus seinen Worten sprach, daran zweifelte sie keinen einzigen Augenblick.
Aber was wird, wenn die Liebe stirbt?
Sie brachte es nicht fertig, ihn direkt danach zu fragen.
Sie nahm schon seinen Willen für die Tat, wollte ihm auch noch den Rest der Wahrheit sagen, denn bestimmt hatte er von ihrer Schwangerschaft noch keine Ahnung.
"Weißt du, es gibt da noch etwas. . ." setzte sie an, wollte ihm sanft ihre Hände entziehen.
Doch Sven ließ es nicht zu, unterbrach sie mit erstickter Stimme und einem scheuen, schnellen Blick in ihre Augen: "Anne, ich hatte es Dir schon gesagt, ich war doch vorhin beim Chefarzt. Ich weiß also alles, nicht nur das mit deiner Krankheit."
Er sah sie eindringlich an, drückte ihre Hände fester. Er brauchte diesen körperlichen Kontakt, um weiter sprechen zu können. Anne ließ es widerspruchslos geschehen, obwohl er ihr schon weh tat.
"Sage jetzt nichts," bat Sven inständig, "wir werden heiraten, ich werde dich pflegen, ich werde das Haus ausbauen - und wir werden gute Eltern sein."
Hastig kamen die Worte, gewichtig wurden sie gesprochen, als müsste er sich selbst Mut machen.
Wie hatte sie auch nur annehmen können, dass er von seiner Vaterschaft noch nichts wusste! Anne war gerührt, sie fühlte sich mit einem Mal geborgen und lächelte.
Sie wusste, dass ihr Lächeln wie ein Versprechen aussehen musste, aber sie wusste nicht, ob es richtig war.
Doch sie klammerte sich an den kurz aufflackernden Gedanken, dass Sven ja vielleicht sogar recht behalten könnte. Vielleicht gab es ja tatsächlich noch Hoffnung?
Sie wollte eigentlich weder ihn noch sich selbst belügen, aber sie tat es dennoch. So könnte sie ihr bisschen Leben vielleicht etwas leichter ertragen, rechtfertigte sie sich vor sich selbst.
Laut sagte sie: "Meinst du denn, dass uns jetzt noch jemand traut?" Doch Sven konnte sehen, wie ihr Lächeln dabei gefror.
Er brauchte also gar nicht erst zu fragen, was dieses "jetzt noch" bedeuten sollte.
Jetzt noch eine Hochzeit - vielleicht sogar kurz vor einer Beerdigung?
Er war betroffen, fragte sich hilflos, wie er auf so etwas reagieren sollte und richtete sich nur daran auf, dass sie mit einem Lächeln gefragt hatte, das nach Widerspruch zu heischen schien.
Er wischte also seine Bedenken fort, bemühte sich seinerseits optimistisch zu klingen, als er antwortete: "Aber sicher traut uns noch jemand, so alt sind wir doch auch noch nicht. Wir werden nach der Hochzeit gleich in unser Haus einziehen." Er lauschte dem Klang seiner eigenen Stimme nach, würde Anne heraus hören, dass er keineswegs so sicher war wie er sich den Anschein geben wollte?
Immerhin verzog sie die Mundwinkel, aber sie brachte nicht jenes Lächeln zustande, das er aus ihrer gemeinsamen Zeit auf Teneriffa kannte, das in den Augen begann und gleich darauf das ganze Gesicht strahlen ließ. Heute lächelte sie eher wie ein verlorenes Kind.
Um sie wieder in die Gegenwart zurück zu holen, sie abzulenken, sie vielleicht sogar ein wenig zu erheitern, in dem er sich über sich selbst lustig machte, erzählte er ihr nun ganz ausführlich, was er alles unternommen hatte, um sie zu finden. Er verschwieg auch nicht, dass ihm letztendlich seine Eltern auf die Sprünge geholfen hatten, als er nicht mehr weiterwusste und endlich imstande war, von seiner Liebe zu erzählen. Überhaupt sprach er viel und nicht ohne Respekt von Margot und Helmut, die es schon so lange miteinander ausgehalten hatten. Von der Härte des Vaters, die er und seine Schwester in der Kindheit so oft erfahren hatten, dass sie sich freuten, wenn Helmut Spätschicht hatte und ihr Bett zum Trampolin wurde, erzählte er kein Sterbenswörtchen.
Und schließlich kam er sogar ein bisschen ins Schwärmen, als er ihr ausmalte, wie schön sie es haben würden in ihrem Häuschen in Wiesenberg.
"Ich werde mich beeilen mit dem Umbau, aber vielleicht muss ja auch nicht gleich alles fertig sein, wenn wir einziehen?"
Er malte ihr alles in den schönsten Farben aus, es sei schließlich nicht wichtig, dass alle Räume bei ihrem Einzug
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