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Stille(r)s Schicksal

Stille(r)s Schicksal

Titel: Stille(r)s Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Kunze
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Kind hatte doch einen Vater! Und er hatte sie heute überzeugt, dass er alles für das Baby tun würde, was in seiner Kraft steht. Wie weit diese Kraft im schlimmsten Falle jedoch reichen würde, darüber wollte sie jetzt noch nicht nachdenken.
    Die vielen neuen Fragen und Überlegungen, ihre oft wechselnden Gefühle und nicht zuletzt ihr Weinkrampf hatten sie ein wenig schläfrig gemacht.
    Sie klemmte sich eine Ecke des Kopfkissens unter die Wange wie sie es seit ihrer Kindheit tat und schluchzte immer noch ziemlich laut vor sich hin.
    Doch keine der Frauen beschwerte sich.
    Schwester Ursel kam herein, strich ihr kurz über den Kopf als dächte sie "Na endlich!"
     

Svens geheimer "Polterabend"
    In der Kastanienallee 7, im obersten Stock rechts, lief schon das Spätabendprogramm, als Sven die Wohnungstür aufschloss.
    Fast hätte er unterwegs einen Unfall gebaut, denn er war auf der Heimfahrt aus dem Krankenhaus mit seinen Gedanken noch immer bei Anne. Er hatte Gas gegeben, gekuppelt, geschaltet, gebremst - alles rein mechanisch, ohne auf den Straßenverkehr zu achten. Fast wäre er einem blauen Golf in die Seite gefahren, doch in letzter Sekunde hatte er seinen Trabi bremsen können. Die Gefahr hatte ihm mit einem Schlag bewusst gemacht, dass er dem anderen fast die Vorfahrt genommen hätte. Doch zum Glück waren beide Männer mit einem Schrecken davongekommen.
    Sven hatte jetzt sowieso ganz andere Sorgen, wollte sich deshalb auch nicht zu seiner Mutter vor den Fernseher gesellen. Schon auf der Treppe war ihm eingefallen, dass sein Vater heute seinen Kegelabend hatte.
    Ganz vorsichtig trat er auf, achtete vor allem darauf, dass ihm die Klappe des Schuhschrankes nicht wieder aus der Hand fiel. So hoffte er, dass seine Heimkehr von seiner Mutter unbemerkt blieb.
    Die neue Situation mit Anne ließ ihn nicht los. Er musste jetzt unbedingt in Ruhe nachdenken über alles, wollte sich gerade leise zurückziehen in sein geschütztes Territorium.
    Doch da ertönte auch schon die gefürchtete Stimme von Margot.
    "Svähän? Bist du´s?"
    Ärger kroch in ihm hoch. Nun würde sie wieder alles haarklein wissen wollen. Widerwillig bewegte sich Sven in Richtung Wohnzimmer, er wollte heute mit niemandem mehr über Anne und deren Krankheit, ja nicht einmal über das Baby, das sie erwarteten, reden. Nur ganz kurz steckte er deshalb den Kopf zur Tür hinein und sagte so freundlich, wie es ihm momentan möglich war: "Abend, Mutter, sei nicht böse, ich gehe gleich schlafen, morgen wird ein harter Tag, wir wechseln die Baustelle."
    Margot fragte gewohnheitsmäßig, ob er denn gar nichts mehr essen wolle, obwohl sie wusste, dass ihr Sohn sie schon gar nicht mehr hören konnte.
    Was er nur wieder hat, dachte sie noch flüchtig, war aber andererseits ganz froh, dass sie jetzt bei dem spannenden Psychothriller, der gleich nach dem ersten Abendfilm begonnen hatte, nicht weiter gestört wurde. Wäre Helmut zu Hause gewesen, hätten sie sich den Film bestimmt nicht angeschaut, denn er konnte es nicht ausstehen, wenn sich die Handlung fast nur im Halbdunkel, mit langen, gespenstischen Schatten an der Wand, abspielte. Er war für Zucht und Ordnung, schwarz oder weiß, hell oder richtig dunkel. Der ganze Psycho-Bla-bla konnte ihn zur Weißglut bringen.
    Margot hingegen liebte diese Gruseleffekte und die dazu gehörige Gänsehaut. So, wie jetzt, denn gerade kam im Film eine junge, hübsche Frau in ihre Wohnung, tastete nach dem Lichtschalter, aber das Licht ging nicht an. Konnte ja auch nicht, denn Margot hatte schon vorhin ganz deutlich gesehen, wie ein Mann die Sicherungen herausgeschraubt hatte.
Ach, du Dummerchen
, dachte Margot,
siehst du denn nicht die braunen Lederschuhe unter der Gardine?
Margot hatte sie natürlich sofort entdeckt - doch sie gruselte sich herrlich.
    Und dann knallte es plötzlich so laut, dass sie noch heftiger zusammenzuckte. Irritiert bemerkte sie, dass es gar nicht im Fernsehen geknallt hatte, sondern in Svens Zimmer. Nur widerwillig stand sie auf, schlurfte in den Flur und rief missmutig nach hinten: "Svähän? Ist was passiert?"
    "Nein, Mutter", kam es unwirsch aus dem Kinderzimmer, "es war nur die blöde chinesische Vase!"
    Na gut, die konnte Margot auch noch nie leiden, da war ihr doch der Film wichtiger. Mit einem flüchtigen "Scherben bringen Glück!" auf den Lippen beeilte sie sich, verdrossen über die Störung, so schnell wie möglich wieder auf ihr Sofa zurückzusinken. Wie ärgerlich, dachte sie, jetzt habe

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