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Stille(r)s Schicksal

Stille(r)s Schicksal

Titel: Stille(r)s Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Kunze
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ich doch verpasst, wie der Mann hinter der Gardine hervorgekommen war, denn das
Dummerchen
lag schon gekrümmt auf dem Teppich.
    Sven rumorte unterdessen draußen im Korridor, er hatte Schippe und Besen geholt, um die Spuren seines Malheurs mit der Vase zu beseitigen. Während er die spitzen Scherben, auf denen nur noch Bruchstücke vom bunten Gefieder eines Vogels zu erkennen waren, aufkehrte, dachte er: Ach Mutter, wenn du wüsstest, dass es sich bei diesem Knall gerade um meinen Polterabend gehandelt hat.
    Doch ob diese mutwillig herbeigeführten Scherben ihm wirklich Glück bringen würden? Darauf sollte Sven lange keine Antwort finden.
     

Seltsames Hochzeitsessen
     
    Die zierliche Kellnerin verneigte sich, als sie die feuchten Tücher, die den Gästen die Stirn erfrischen sollten, mit einer anmutigen Bewegung wieder entgegennahm. Ohne der kleinen Tischgesellschaft den Rücken zuzukehren, trippelte sie davon.
    An dem dunklen, mit Intarsien verzierten Tisch saßen sechs Leute: Margot und Helmut Stiller, Frieda und Franz Neumaier sowie Anne und Sven. Sie waren heute die Hauptpersonen, denn sie hatten vor reichlich einer Stunde geheiratet.
    Doch es herrschte eine spannungsgeladene Stille zwischen diesen Menschen, so, als hätte jeder von ihnen Angst, etwas Falsches zu sagen.
    Ein fast gespenstisches Hochzeitsmahl, bei dem keiner einen auch nur annähernd glücklichen Eindruck machte. Alle schwiegen und taten so, als lauschten sie hingebungsvoll den Klängen der leisen, fremdländischen Musik. In Wirklichkeit hing jeder seinen eigenen Gedanken nach.
    Die Braut befanden wohl alle, außer Sven, als zu blass und zu mager, wenn man von ihrem sich leicht nach vorn wölbenden Bauch absah. Das konnte Anne unschwer an den Gesichtern ablesen. Sie hatte bewusst auf ein weißes Kleid und einen Schleier verzichtet.
Gar so unschuldig
sei sie ja nun auch wieder nicht, hatte sie die Enttäuschung der anderen versucht wegzulachen.
    Nun saß sie da, in ihrem ärmellosen tief blauen Etuikleid mit der langen, transparenten Jacke darüber und erkannte, dass die Enttäuschung sich nicht so einfach weglachen ließ.
    Sie griff sich unsicher an das ungewohnte Hütchen, schien sich zu vergewissern, ob die weiße Rose aus Seide noch an ihrem Platz war.
    Fast hätte sie keine Hochzeitsblumen gehabt, doch das störte sie wenig, denn jetzt bildete dieser Nelkenstrauß von der Tankstelle den Tischschmuck. Auch darüber waren Eltern und Großeltern erbost, denn sie hatten den Bräutigam sogar noch erinnert,
einen richtigen Brautstrauß
zu bestellen.
    Doch für Anne waren das trotzdem alles nur Kleinigkeiten, sie hatte sogar gelassen hingenommen, dass Neumaiers
wegen der Knie, wegen Opas Raucherhusten und überhaupt
bei der Zeremonie im Standesamt nicht dabei sein wollten. Die Einladung zum Essen abzulehnen, hatten sie dann aber doch nicht fertiggebracht. So hatten nur Svens Eltern an der Trauung teilgenommen. Den jungen Leuten war es recht, sie wollte sowieso keinen großen Rummel.
    Margot und Helmut freilich war die Enttäuschung noch immer anzumerken. Das sollte nun die Hochzeit ihres einzigen Sohnes sein? Ihre Tochter wohnte mit ihrer Familie an der Küste. Sie hatten eine Karte zur Vermählung geschickt, waren recht froh, dass sie zur Hochzeit mit einer Krebskranken nicht eingeladen worden waren. Sie hatten Svens Entscheidung ebenso wenig verstanden wie die Eltern oder Großeltern.
    Sven und Anne wussten das alles, aber sie kümmerten sich nicht weiter darum. Sie waren sich einig gewesen, dass es allein ihre Hochzeit sein sollte - sozusagen ein Fest für zwei. Dieses gemeinsame Essen nach der Trauung war lediglich ein Kompromiss, mit dem sie ihren guten Willen bekunden wollten. Zum Leidwesen von Helmut, hatten sie ausgerechnet ein chinesisches Restaurant gewählt, obwohl ihm ein deftiges Eisbein lieber gewesen wäre. Auch den beiden Neumaiers übrigens, die ebenfalls nichts von solchem neumodischen Kram wie asiatischer Küche hielten. Das war eigentlich mehr Friedas Meinung, der sich Franz notgedrungen anschließen musste, wenn er sich seinen Hausfrieden erhalten wollte. Insgeheim mochte er die kleine Hellwig, die ja nun auch Stiller hieß, noch immer.
    Trotzdem: Selbst Frieda hatte sich heute in Schale geworfen, ihr Dunkelblaues mit dem weißen Spitzenkragen hervorgekramt, Opa Franz in den dunklen Anzug gezwängt, Vater Helmut hatte sich extra einen neuen Schlips gekauft und Mutter Margot eine rosa Bluse. Man wusste ja schließlich, was

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