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Stille(r)s Schicksal

Stille(r)s Schicksal

Titel: Stille(r)s Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Kunze
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gelitten, sie noch immer nicht im Arm halten zu können.
     

Trost im Keller für Sven - und Anne?
     
    Anne fröstelte. Sie war ohne Jacke bis vor zur Straße gelaufen. Fast eine Viertelstunde hatte sie für die paar Meter gebraucht. Aber sie freute sich trotzdem riesig, denn sie hatte den Weg sogar mit dem Mülleimer in der Hand zurückgelegt. Sven hatte die große Mülltonne schon am Morgen, noch vor der Arbeit, für die Abfuhr bis zum Straßenrand gezogen.
    Frau Lärche, die in dem Bauerngehöft nebenan wohnte, stellte ihre schwere Tonne ebenfalls daneben, als Anne kam.
    "Ach guck an, die junge Frau Stiller! Das ist aber schön, dass Sie schon wieder bis zur Straße laufen können", flötete die Nachbarsfrau und nickte Anne freundlich zu.
    Anne hatte diese Frau immer recht gern gemocht, obwohl sie sich kaum kannten. Wenn sie sich doch einmal trafen, dann schien sie immer fröhlich zu zwitschern. Doch heute kam es Anne vor, als schwinge in ihren Worten ein falscher Ton mit.
    Sie wusste von Sven, dass Frau Lärche vor zwei Jahren schon ihren Mann verloren hatte. Der einst so kräftige Mann soll zuletzt nur noch ganze vierzig Kilo gewogen haben. Er hatte Lungenkrebs. Sie habe ihren Mann „nur zum Sterben" nach Hause geholt, ihn bis zuletzt geduldig gepflegt. Das wussten alle im Dorf.
    Als Anne jetzt wieder Frau Lärches Blick begegnete, fröstelte sie noch mehr. Wieso geht es dir so gut, dass du es bis zur Straße schaffst? fragten diese Augen fast vorwurfsvoll.
    Doch dann sah Frau Lärche, wie sich Anne vergeblich mühte, den eigentlich nicht sehr schweren Deckel der Tonne anzuheben. Sie senkte beschämt ihren Blick und half der jungen Frau ohne ein Wort.
    „ Danke", freute sich Anne und hatte die vorwurfsvollen Augen schon fast vergessen. „Ist ein schöner Tag heute, nicht wahr?“
    Ein kalter, aber sonniger und klarer Wintertag.
    „ Die Luft riecht schon nach Schnee, finden Sie nicht auch?"
    Frau Lärche ließ den Deckel lauter fallen als beabsichtigt. Wie munter sich diese schmale Person gab!
    Deshalb konnte sie es sich einfach nicht verkneifen, deren Fröhlichkeit ein klein wenig zu dämpfen.
    "Man muss sich eben an jedem Tag freuen, als wenn es der letzte wäre, nicht wahr?"
    Schnell schaute sie zu der Jungen herüber, ob ihre Bemerkung auch angekommen war.
    Anne fühlte sich zwar für einen Moment getroffen, beschloss dann aber, die Worte als anteilnehmend und ermutigend zu werten.
    "Ja, Frau Lärche, da haben Sie recht", erwiderte sie deshalb freundlich, „das sollten eigentlich alle Menschen tun, auch die Gesunden."
    Frau Lärche stutzte, sah zu Boden, was sollte es danach auch noch zu sagen geben?
    Die beiden unterschiedlichen Frauen trennten sich ohne weitere Worte und gingen, jede für sich, wieder in ihre warmen Stuben zurück.
    Als Sven am Abend nach Hause kam, erzählte ihm Anne voller Stolz, dass sie es geschafft habe, bis an die Straßenecke zu gehen, den Mülleimer zu entleeren und sogar noch ein wenig mit der Nachbarin zu plaudern. Sie verschwieg ihm auch nicht, dass Frau Lärche ihr geraten hatte, jeden Tag so dankbar zu genießen, als sei es der letzte. Wie sehr sie der verletzende Ton dieses wohlmeinenden Rates getroffen hatte, erwähnte sie nicht.
    Anne blickte von ihrer Stickarbeit auf, weil das gewohnte, Aufmerksamkeit anzeigende "Ach so!" ihres Mannes schon seit einigen Minuten ausgeblieben war.
    Sein Kopf lehnte ein wenig schief an der hohen Sessellehne, sein Mund stand halb offen, die Augenlider jedoch waren geschlossen.
    Vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, legte sie ihre Handarbeit beiseite und verließ auf leisen Sohlen das Zimmer.
    Als Sven kurz vor den Abendnachrichten aufwachte, erschrak er, denn er hörte Anne in der Küche rumoren. Sie hatte ihm etwas erzählen wollen, doch er konnte sich beim besten Willen nicht mehr erinnern, worum es ging.
    Auch egal, dachte er, jetzt werde ich erst mal das Abendbrot zurechtmachen gehen.
    Als er sich aus dem Sessel erhob, taten ihm sämtliche Knochen weh.
    In der Küche war Anne gerade dabei, den Tisch zu decken.
    "Hast du Brot mitgebracht?" fragte sie, als sie die schlurfenden Schritte ihres Mannes im Flur erkannte.
    "Ja", rief er, "es ist noch im Auto, ich hole gleich noch die Einkaufsbeutel herein!"
    Beim Abendessen fragte Sven mit vollem Mund seine Frau: "Was wolltest du mir vorhin erzählen? Ich glaube, ich bin einfach eingeschlafen. Entschuldige! War aber auch heute wieder ein Stress! Wir sind jetzt auf einer neuen Baustelle, da

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