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Stille(r)s Schicksal

Stille(r)s Schicksal

Titel: Stille(r)s Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Kunze
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an jenem Freitag mit dem Telegramm vor der Tür stand.
    „ Mein Gott, diese jungen Dinger, können die einem nicht einmal sagen, was Sache ist?" schimpfte Frau Berton leise vor sich hin, nachdem Sven ohne jede Regung den Umschlag entgegengenommen und die Haustür schon längst wieder verschlossen hatte.
    Anne konnte noch vom Fenster aus sehen, wie sich die kleine Frau mit zusammengekniffenen Lippen auf ihr Fahrrad schwang.
    In der Küche war es an diesem Februartag wohlig warm, denn Sven war schon mittags heimgekommen und hatte überall Feuer gemacht. In dem altmodischen Herd knackten die Scheite, das heiße Wasser in der langen Herdwanne summte leise. Oder war es der vom Dampf angehobene Deckel, der diese Töne von sich gab? Sven hatte das Telegramm noch im Flur aufgerissen, wedelte mit dem Blatt hin und her. Wieder und wieder hatte er auf den Text gestarrt, ihn mehrmals gelesen, bevor er ihn begriff. Doch dann rief er ungläubig: „Wir können Laura holen!“
    Sekundenlang hatte sie ihn fassungslos angestarrt, bevor sie in seinen Singsang einfiel: „Wir können Laura holen!“ Ihre Freude schien die Küche mit noch mehr Wärme zu erfüllen.
    Anne war überglücklich, denn nun würde sie ihre Tochter doch noch in den Armen halten können. Wie oft hatte sie schon befürchtet, das nicht mehr erleben zu dürfen.
    "Weißt du was, wir fahren gleich los", schlug sie spontan vor, denn Sven war anscheinend genauso froh wie sie.
    Seine Augen hatten wieder ihren alten Glanz, der sie ebenso wie sein Lächeln und die Grübchen in den Wangen an den Sven erinnerte, den sie damals auf Teneriffa kennengelernt hatte. Wie sehr hatte ihr in letzter Zeit sein jungenhaftes Lachen gefehlt!
    Doch jetzt verdunkelte sich sein Blick, und damit erlosch auch das Lachen.
    „ Wie stellst du dir das vor?“, fragte er, offenbar um Besonnenheit bemüht, „du weißt doch, dass du nicht mitkommen kannst, ich kann euch schließlich nicht beide gleichzeitig tragen."
    Anne wollte aufbegehren, wusste aber im selben Moment, dass er im Grunde recht hatte.
    "Du kannst ja hier schon alles vorbereiten", lenkte Sven ein, als er bemerkte, wie sich ihr Blick zu verschleiern begann.
    "Und außerdem bringt das nichts, wenn ich heute gleich Hals über Kopf losfahre. Dann käme ich doch erst am späten Abend zurück. . .“
    Das leuchtete schließlich auch Anne ein.
    Ja, vielleicht ist es wirklich besser, wenn sie daheim alles vorbereitete. Sofort fühlte Anne ungeahnte Kräfte in sich aufsteigen. Sie würde Laura schon ordentlich versorgen, das wäre doch gelacht.
    An diesem Abend saßen Sven und Anne stundenlang einträchtig zusammen und unterhielten sich. Anne war wie durch ein Wunder völlig schmerzfrei und malte ihrem Mann in tausend Farben aus, was sie noch alles für ihre Tochter tun würde.
    „ Ich werde jeden Tag aufschreiben, was sie alles anstellt, dann kann sie es später lesen. Ich werde ihren ersten Zahn bewundern, sie später aufs Töpfchen setzen, ihr Lieder vorsingen und Geschichten erzählen. Ach, und dann muss ich noch den gelben Anzug zu Ende stricken, der wird ihr bestimmt bald passen."
    Beide gaben sich heiter und entspannt, verspeisten mit großem Appetit ihre Steaks, die Champignons und den knackigen grünen Salat. Anne hatte nicht einmal etwas dagegen, als Sven ihr von dem einfachen französischen Bauernwein, von dem sie zur Feier des Tages eine Flasche geöffnet hatten, ausnahmsweise etwas nachschenkte.
    Sven ließ sich gern vom Elan und der guten Laune seiner Frau anstecken, erzählte nun seinerseits wieder einmal etwas von seinen Erlebnissen bei der Arbeit.
    „ Der Rainer, weißt du, der kleine Dicke mit den Wurstfingern, hat eine neue Freundin. Heute hat sie ihn mit dem Auto abgeholt. Wir haben uns gekugelt vor Lachen, als sie aus dem alten Ford stieg. Sie ist mindestens einen Kopf größer als er und dazu so dürr, dass sie eigentlich jeden kleinen Windstoß fürchten müsste. Wir wollen dem Dicken nächste Woche eine Fußbank schenken, damit er auch herankommt, falls er seine Mechthild mal küssen will."
    "Was? Mechthild heißt sie?"
    "Ach, i wo, ich glaube, Ramona oder so. Aber als sie sich, nachdem sie mühsam aus dem Auto ausgestiegen war, zu ihrer vollen Länge aufgerichtet und siegesgewiss um sich geschaut hatte, war irgendwie klar, dass wir sie immer Mechthild nennen würden."
    Anne war zwar nicht so sonderlich am Schicksal von Rainer und Mechthild interessiert, aber sie hütete sich, den Redefluss ihres Mannes zu

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