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Stilles Echo

Stilles Echo

Titel: Stilles Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Das Ergebnis ist das, was Evan vorgefunden hat… Zwei Männer, die in einen Streit gerieten und nicht mehr aufhören konnten, bevor der eine tot war und der andere lebensgefährlich verletzt.«
    Hester schüttelte den Kopf, nicht weil sie diese Möglichkeit hätte leugnen können, sondern um das Bild, das sich ihr aufdrängte, abzustreifen.
    Diesmal legte Monk die Hände auf ihre Schultern, ganz sachte, nicht um sie an sich zu ziehen, nur um sie zu berühren.
    Sie blickte zu Boden, denn sie wollte nicht zu ihm aufsehen.
    »Vielleicht haben einige Männer aus dem Bezirk sie entdeckt, die Ehemänner oder die Geliebten des letzten Opfers.
    Brüder oder sogar Freunde. Sie waren zu lange an einem Ort stehengeblieben. Und diese Männer haben dann Vater und Sohn so zugerichtet. Rhys kann es uns nicht erzählen. Nicht einmal, wenn er es wollte.«
    Es gab nichts mehr zu sagen. Hester hätte die ganze Idee am liebsten als unmöglich abgetan, aber das war sinnlos.
    »Ich weiß nicht, wie ich es herausfinden könnte«, verteidigte sie sich schließlich. »Das ist mir klar.« Er lächelte schwach.
    »Und wenn Sie es wüßten, würden Sie es nicht tun. Es sei denn, Sie müßten es wissen, für sich selbst. Sie würden seine Unschuld beweisen müssen. Und wenn Sie dabei feststellten, daß er unschuldig ist, würden Sie nichts sagen, und ich würde es trotzdem wissen.«
    Hester blickte hastig zu ihm auf. »Nein, das würden Sie nicht! Nicht, wenn ich mich dazu entschließen würde, es vor Ihnen zu verbergen.«
    Er zögerte und trat dann einen halben Schritt zurück.
    »Ich würde es wissen«, wiederholte Monk. »Warum? Würden Sie seine Taten verteidigen? Ich könnte Sie zu diesen Frauen bringen, geschlagen von Armut, Schmutz, Unwissenheit und nun auch noch geschlagen von drei jungen Gentlemen, die ihr behagliches Leben langweilt und die es nach etwas gefährlicher Unterhaltung verlangt. Etwas, das das Herz eine Spur schneller schlagen und das Blut in den Kopf schießen läßt.« Seine Stimme klang hart vor Zorn, und ein tiefer, beständiger Schmerz klang darin mit, das Mitleid für die Opfer. »Einige der Frauen sind nicht mehr als Kinder. In deren Alter saßen Sie in einem Schulzimmer, trugen eine Schürze und haben Ihre Rechenaufgaben gemacht, und Ihr größter Kummer bestand darin, daß man Sie zwang, Ihren Reispudding aufzuessen!« Er übertrieb, und er wußte es, aber es spielte kaum eine Rolle. Der Kern seiner Worte traf die Wirklichkeit. »Etwas Derartiges würden Sie nicht verteidigen, Hester. Sie könnten es nicht! Dazu haben Sie zu viel Anstand, zu viel Phantasie!«
    Sie wandte sich ab. »Natürlich habe ich das! Aber Sie haben Rhys auch nicht so leiden sehen. Ein Urteil ist immer schön und gut, wenn man nur die eine Seite kennt. Es ist viel schwieriger, wenn man auch den Täter kennt, wenn man ihn mag und auch seinen Schmerz spürt.«
    Monk stand jetzt unmittelbar hinter ihr. »Es geht mir darum, was recht und was unrecht ist. Manchmal können wir nicht beides haben. Ich weiß, daß manche Leute das nicht verstehen oder akzeptieren, aber Sie gehören nicht zu diesen Leuten. Sie waren immer in der Lage, der Wahrheit in die Augen zu sehen, ganz gleich, worin sie bestand. Sie werden es auch diesmal können.«
    In seiner Stimme lag nicht der geringste Zweifel. Sie war Hester, die verläßliche, starke, tugendhafte Hester. Es war nicht notwendig, sie vor Schmerz oder Gefahr zu schützen. Nicht notwendig, sich ihretwegen auch nur Gedanken zu machen.
    Hester hätte am liebsten nach ihm geschlagen, so wütend war sie darüber, daß er ihre Stärke als so selbstverständlich nahm. Im Innern war sie genau wie jede andere auch, wie jede andere Frau. Manchmal sehnte sie sich danach, beschützt und umsorgt zu werden, jemanden zu haben, der Gefahren und häßliche Dinge von ihr fernhielt, nicht weil er glaubte, sie könne es nicht ertragen, sondern weil er ihr Schmerz ersparen wollte.
    Aber das konnte sie ihm unmöglich sagen. Nicht Monk, erst recht nicht ihm. Um auch nur das Geringste wert zu sein, mußte sie zu schützen sein Wunsch, ja sein Bedürfnis sein, mußte freiwillig gegeben werden. Wenn sie eine dieser zerbrechlichen, warmherzigen, femininen Frauen gewesen wäre, die er so bewunderte, hätte er es instinktiv getan.
    Was konnte sie sagen? Sie war so wütend, verwirrt und verletzt, daß die Worte sich in ihrem Kopf überschlugen, und alle waren sie gleich nutzlos und hätten nur ihre Gefühle verraten, was das letzte war,

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