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Stilles Echo

Stilles Echo

Titel: Stilles Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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erlebt hätten, wie er verzweifelt versuchte, aufzuschreien, dann wüßten Sie das genauso sicher wie ich.«
    Man konnte ihm ansehen, daß er ihr Glauben schenkte. Aber in seinen Zügen lag auch eine Traurigkeit, die ihr Angst machte. Es war eine Art von Zärtlichkeit, eine Regung, die sie nicht oft bei ihm sah, ein Gefühl, das er für gewöhnlich zu verbergen wußte.
    »Haben Sie Beweise gefunden?« fragte sie mit stockender Stimme. »Wissen Sie etwas über die Sache?«
    »Nein.« Sein Gesichtausdruck blieb unverändert. »Aber die Hinweise mehren sich.«
    »Was? Welche Hinweise?«
    »Es tut mir leid, Hester. Ich wünschte, es wäre anders.«
    »Welche Hinweise?« Ihre Stimme war ein klein wenig höher geworden, hauptsächlich aus Angst um Rhys, aber auch, weil die Freundlichkeit in Monks Augen sie erschütterte. Sie war zu zerbrechlich, um sie fassen zu können, zu kostbar, um sie zu zerbrechen, wie ein perfektes Spiegelbild im Wasser, das bei der ersten Berührung zerspringt. »Was haben Sie herausgefunden?«
    »Daß die drei Männer, die diese Frauen überfallen haben , Gentlemen waren. Sie waren gut gekleidet und kamen mit Droschken, manchmal zusammen, manchmal getrennt. Weggefahren sind sie fast immer gemeinsam, in einem Hansom.«
    »Das hat nichts mit Rhys zu tun!« Hester wußte, daß sie ihn unterbrochen hatte und daß er nicht darauf zu sprechen gekommen wäre, wenn er nicht mehr in der Hand gehabt hätte. Es war ihr einfach unmöglich, ihn weiter sprechen zu lassen, der Gedanke tat zu weh. Ihr war klar, daß er das wußte und daß er es haßte, ihr das antun zu müssen. Die Wärme in seinen Augen würde sie wie eine kostbare Erinnerung bewahren, ein süßes Licht in der Dunkelheit.
    »Einer von ihnen war groß und schlank«, fuhr er fort.
    Die Beschreibung paßte auf Rhys. Das wußten sie beide.
    »Die beiden anderen waren von durchschnittlicher Größe, einer etwas untersetzt, der andere ziemlich dünn«, fuhr er leise fort.
    Monk hatte Arthur und Duke Kynaston noch nicht gesehen, aber Hester hatte es. Wenn man eine dunkle Straße entlangeilte und nur einen kurzen Blick auf die beiden erhaschte, hätte man sie durchaus so beschreiben können. Ein Gefühl der Kälte erfüllte sie. Sie versuchte, es zu verdrängen, aber die Erinnerung an die Grausamkeit in Rhys’ Augen war noch allzu frisch. Sie dachte an das Gefühl der Macht, das er genoß, als er Sylvestra verletzt hatte. Sie dachte an sein Lächeln kurz darauf, an die Befriedigung in seinen Zügen. Es war nicht nur ein einziges Mal geschehen, ließ sich nicht als Irrtum oder Ausrutscher wegreden. Er genoß seine Macht, anderen weh zu tun. Hester versuchte, sich gegen diese Möglichkeit zu wehren, aber in Monks Anwesenheit war ihr das unmöglich. Sie konnte zornig auf ihn sein, sie konnte einzelne Teile seines Wesens verachten, sie konnte ihm heftig widersprechen, – aber sie konnte ihm nicht absichtlich Schaden zufügen, und sie konnte nicht lügen. Es wäre unerträglich für sie gewesen, eine solche Barriere zwischen ihnen zu errichten. Beinahe so, als leugne sie einen Teil ihrer selbst.
    Monk machte einen Schritt auf sie zu. Er war so nahe, daß sie die feuchte Wolle seines Mantels riechen konnte.
    »Es tut mir leid«, sagte er leise. »Ich kann mich nicht einfach abwenden, weil er jetzt verletzt ist oder weil er Ihr Patient ist. Wenn er allein gewesen wäre, dann sähe es vielleicht anders aus. Aber ich muß auch an die beiden anderen Männer denken.«
    »Ich kann einfach nicht glauben, daß Arthur Kynaston mit der Sache zu tun hatte.« Sie sah ihm direkt in die Augen. »Dafür müßte ich einen Beweis haben, der sich nicht bestreiten ließe. Ich müßte hören, daß er selbst es eingesteht. Was Duke betrifft, bin ich mir nicht sicher.«
    »Es könnten Rhys, Duke und irgend jemand anderes gewesen sein«, bemerkte er.
    »Warum ist dann Leighton Duff tot und Duke Kynaston unverletzt?«
    Monk streckte die Hand aus, als wolle er Hester berühren, ließ sie dann aber wieder sinken.
    »Weil Leighton Duff geahnt hat, daß da etwas ganz und gar nicht stimmte. Er ist ihnen gefolgt und hat seinen Sohn zur Rede gestellt«, antwortete er ernst. Dann runzelte er die Stirn. »Seinen Sohn als denjenigen der drei Männer, der ihm am nächsten stand, der ihm am wichtigsten war. Und Rhys verlor die Fassung, hatte vielleicht zu viel Whisky getrunken. Schuldgefühle, Angst und der Glaube an seine eigene Kraft haben ein übriges getan. Die anderen sind weggelaufen.

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