Stilles Echo
was sie wollte. Soweit zumindest konnte sie selber auf sich aufpassen.
»Natürlich«, sagte sie steif, und ihre Stimme klang belegt. »Es hätte kaum einen Sinn, etwas anderes zu tun, nicht wahr?« Sie entfernte sich noch einen Schritt weiter von ihm und versteifte dabei die Schultern, als würde sie zurückzucken, wenn er sie noch einmal berührte. »Ich nehme an, ich werde es wohl aushaken, was immer es ist. Ich werde gar keine andere Wahl haben.«
»Sie sind wütend«, sagte er mit hörbarer Überraschung.
»Unsinn!« brauste sie auf. Er hatte die Sache vollkommen falsch verstanden. Es hatte nichts mit Rhys Duff zu tun oder mit der Frage, wer die Frauen überfallen hatte. Wütend machte sie seine Vermutung, daß er sie wie einen anderen Mann behandeln konnte, daß sie zu jeder Zeit auf sich selbst achtgeben konnte und dies auch tun sollte. Sie konnte es tatsächlich! Aber auch darum ging es hier nicht.
»Hester!«
Sie hatte ihm den Rücken zugekehrt, aber er klang geduldig und vernünftig. Es war wie Essig auf einer Wunde.
»Hester, ich wünsche mir nicht, daß Rhys sich als der Schuldige entpuppt. Ich werde auch jede andere Möglichkeit untersuchen.«
»Das weiß ich!«
Jetzt war er verwirrt. »Was zum Teufel wollen Sie denn dann von mir? Ich kann nicht ändern, was geschehen ist, und ich werde mich auch mit nichts Geringerem als der Wahrheit zufriedengeben! Ich kann Rhys nicht vor sich selbst retten, und ich kann seine Mutter nicht retten… wenn es das ist, was Sie wollen?«
Sie fuhr herum.
»Es ist nicht das, was ich will! Und ich erwarte überhaupt nichts von Ihnen! Gott behüte! Ich kenne Sie jetzt lange genug, um mir vollauf darüber im klaren zu sein, was ich von Ihnen bekommen werde.« Ihre Worte überschlugen sich, und noch während sie selber sie hörte, wünschte sie, sie hätte geschwiegen. Hätte sich nicht so durchsichtig, so verletzlich gemacht. Er würde ihre Gefühle jetzt ohne Mühe deuten können. Er konnte kaum umhin, es zu tun.
Monk war sprachlos und verärgert. Sein Gesicht zeigte die nur allzu vertrauten Anzeichen eines Zornesausbruchs. Ein Schleier legte sich über seine Augen und verbarg die Freundlichkeit, die noch kurz zuvor darin gestanden hatte.
»Dann scheint unser Gespräch ja sinnlos zu sein«, sagte er grimmig. »Wir verstehen einander vollkommen, und es braucht nichts mehr gesagt zu werden.« Er machte eine knappe Bewegung, die kaum als Verbeugung hätte bezeichnet werden können. »Vielen Dank, daß Sie mir so viel von Ihrer Zeit geopfert haben. Auf Wiedersehen.« Er ging aus dem Zimmer und ließ sie unglücklich zurück und ebenso wütend, wie er es war.
Ein wenig später am Nachmittag kam Arthur Kynaston noch einmal vorbei, diesmal in Begleitung seines älteren Bruders Duke. Hester sah sie, als sie aus der Bibliothek kommend die Halle durchquerte, um die Treppe hinaufzugehen.
»Guten Tag, Miss Latterly«, sagte Arthur fröhlich. Er warf einen Blick auf das Buch, das sie in der Hand hielt. »Ist das für Rhys? Wie geht es ihm?«
Duke stand hinter ihm, eine größere und kräftigere Ausgabe seines Bruders mit schwereren Schultern. Sein Gang war eleganter, aber auch großspuriger als der von Arthur. Sein Gesicht hatte kräftigere Knochen, und er war auf eine traditionellere Weise gutaussehend, wenn sein Gesichtsschnitt vielleicht auch weniger eigenwillig schien. Duke hatte wie Arthur weiches, gewelltes Haar, das ins Kastanienbraune spielte. Er betrachtete Hester mit unverhohlener Ungeduld. Nicht sie war es, die sie zu besuchen hergekommen waren.
Arthur drehte sich um. »Oh, Duke, das ist Miss Latterly, die sich um Rhys kümmert.«
»Schön«, sagte Duke schroff. »Wir nehmen das Buch für Sie mit nach oben.« Er streckte die Hand danach aus. Seine Worte waren eher ein Befehl als ein Angebot.
Hester verspürte eine augenblickliche Abneigung gegen ihn. Wenn das hier wirklich die jungen Männer waren, nach denen Monk suchte, dann war Duke nicht nur für die brutalen Angriffe auf die Frauen verantwortlich, er hatte auch seinen Bruder und Rhys zugrunde gerichtet.
»Ich danke Ihnen, Mr. Kynaston«, erwiderte sie kalt. Sie hatte jäh ihre Meinung geändert. »Das Buch ist nicht für Rhys bestimmt, ich habe die Absicht, es selbst zu lesen.«
Er betrachtete es kurz. »Das ist eine Geschichte des Ottomanischen Reichs!« sagte er mit einem leichten Lächeln.
»Ein überaus interessantes Volk«, bemerkte sie. »Als ich das letzte Mal in Istanbul war, habe ich sehr viel
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