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Stilles Echo

Stilles Echo

Titel: Stilles Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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ab, und Ziegelsteine und Mörtel warfen den Glanz des Gaslichtes zurück. Die nassen Pflastersteine leuchteten.
    MacPherson warf kurz einen Blick hinter sich, um sich davon zu überzeugen, daß Monk noch da war, dann ging er über eine steinerne Treppe in einen Keller hinunter, wo eine Talgkerze in einer halbdurchgebrochenen, alten Flasche steckte. Die Kerze qualmte, spendete aber genug Licht, um den Eingang zu einem Tunnel zu zeigen, und MacPherson trat ohne Zögern hinein.
    Monk folgte ihm. Eine scharfe Erinnerung an eine den Atem raubende, den Magen zusammenkrampfende Gefahr durchzuckte ihn, eine Erinnerung an plötzlichen Schmerz, dem tiefes Vergessen folgte. Er wußte, was es war. Das Gefühl kam aus der Vergangenheit, die er fürchtete, jener Zeit, da er und Runcorn vom Gesetz gesuchten Männern in genau solche Gebiete gefolgt waren. Damals hatte ihn Kameradschaft mit dem anderen Mann verbunden. Es hatte nicht den leisesten Groll seinerseits gegeben, das wußte er genau. Und er war der Gefahr in die Arme gelaufen, ohne auch nur eine Sekunde daran zu zweifeln, daß Runcorn da sein würde, um ihm den Rücken zu decken. Es war jene Art von Vertrauen gewesen, die sich aus Erfahrung gründete und kein einziges Mal enttäuscht worden war.
    Jetzt folgte er Jamie MacPherson mit den breiten Schultern und dem breitbeinigen, leicht schaukelnden Gang, der den Eindruck erweckte, als sei der Mann in seiner Jugend zur See gefahren. Er hatte die Beweglichkeit eines Berufsboxers, und seine Fäuste waren stets bereit. Monk schätzte ihn auf Mitte Fünfzig, sein rotblondes Haar wurde an den Schläfen bereits schütter.
    Wie lange war es her, daß er und Runcorn Seite an Seite hier gearbeitet hatten? Zwanzig Jahre? In dem Fall mußte Monk damals etwa Mitte Zwanzig gewesen sein, jung und von leidenschaftlicher Gerechtigkeitsliebe beseelt, vielleicht noch immer zu sehr von dem Zorn über die Ungerechtigkeit beherrscht, die seinem Freund und Mentor widerfahren war. Vielleicht war er zu ehrgeizig gewesen, um sich die Macht zu verschaffen, die es ihm ermöglicht hätte, das Unrecht zu sühnen.
    MacPhersons Stimme kam aus der Dunkelheit vor ihm, um ihn vor einer Stufe zu warnen, und einen Augenblick später wäre er beinahe darüber gestolpert. Sie stiegen eine Treppe hinauf und kamen in eine anderes Kellergewölbe, diesmal mit einer beleuchteten Tür an der gegenüberliegenden Seite, die in einen weiteren Raum führte. MacPherson klopfte energisch an, einmal, dann viermal, und schließlich öffnete ihm ein Mann, dem das Haar wie Stacheln vom Kopf abstand. Sein Gesicht strahlte vor Lächeln. An der Hand, die er grüßend hochhielt, fehlte der dritte Finger.
    »Na, da hol mich doch der Teufel, wenn das nicht Mr. Monk ist«, sagte er fröhlich. »Dachte, Sie wären tot. Was wollen Sie hier?«
    »Er interessiert sich für die Vergewaltigungen drüben in Seven Dials«, erwiderte MacPherson, bevor Monk etwas sagen konnte.
    Willie Snaith’s haselnußbraune Augen weiteten sich. Er hatte den Blick immer noch auf McPherson gerichtet. »Du hast mir nie erzählt, daß die Bullen da auch nur einen Pfifferling drum geben? Ich glaube das nicht. Hast du nicht mehr alle Tassen im Schrank, Mac? Du hast wohl vergessen, wer das ist, wie?«
    »Er ist nicht mehr bei der Polizei«, erklärte MacPherson, während er weiter in dem Raum hineintrat und die Kellertür hinter sich zuzog. »Runcorn hat seine Rache anscheinend bekommen und ihn rausgeschmissen. Monk arbeitet allein. Und ich würde selber gerne wissen, wer das getan hat, denn es war keiner von uns hier. Es muß so’n feiner Pinkel oben aus dem Westen gewesen sein.«
    »Na, wenn das nicht alles schlägt! Wie heißt es so schön? Man wird alt wie ‘ne Kuh und lernt immer noch dazu. Das heißt also, daß Monk in gewisser Weise für uns arbeitet! Daß ich das noch erleben darf!« Er stieß ein kehliges Lachen aus. »Und was wollt ihr dann von mir? Ich weiß nicht, wer es gewesen ist, sonst hätte ich die Sache selbst in die Hand genommen!«
    »Ich möchte wissen, ob in den letzten drei Wochen Frauen vergewaltigt oder verprügelt worden sind«, antwortete Monk sofort. »Oder in den zwei Wochen davor.«
    »Nein…«, sagte Snaith langsam. »Mir ist nichts Derartiges zu Ohren gekommen. Hilft Ihnen das weiter?«
    »Nein, tut es nicht«, erwiderte Monk. »Ich hatte mir eine andere Antwort von Ihnen erhofft.« Dann wurde ihm klar, daß er nicht die Wahrheit gesagt hatte. Eine andere Antwort hätte auf eine

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