Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stilles Echo

Stilles Echo

Titel: Stilles Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
sie humpelte schwer. Außerdem hatte sie üble Prellungen davongetragen. Ja, die Männer hätten sie vergewaltigt, aber sie hatte nicht die Kraft gehabt, sich zu wehren, und das habe ihre Angreifer anscheinend erzürnt. Sie habe jedoch Glück gehabt. Die Männer seien gestört worden.
    »Erzählen Sie es niemandem!« flehte sie ihn an. »Ich werde meine Arbeit verlieren!«
    Er wünschte, er hätte ihr dieses Versprechen geben können.
    »Nur wenige Minuten, nachdem sie sich von Ihnen abgewandt hatten, haben sie einen Mord begangen«, erklärte Monk ihr mit grimmiger Stimme. »Sie brauchen nicht zu sagen, daß Sie vergewaltigt wurden. Sie können schwören, Sie seien die Straße entlanggekommen und die Männer hätten Sie überfallen. Das wird genügen.«
    »Wirklich?« Sie sah in zweifelnd an.
    »Ja«, sagte er fest. »Wo ist es passiert?«
    Ihre Stimme war heiser, ihr Gesicht bleich. »Gleich hinter der Water Lane.«
    »Vielen Dank. Das wird genügen. Ich verspreche es.«
    Es genügte tatsächlich. Monk würde damit zu Evan gehen. Er konnte die Sache nicht länger für sich behalten. Er hielt handfeste Beweise für den Mord an Leighton Duff in der Hand. Wenn Rhys und seine Freunde in St. Giles zu Prostituierten gegangen waren, was sich inzwischen nicht mehr leugnen ließ, und wenn ihre Besuche dort im Laufe der Monate immer gewalttätiger geworden waren, dann schien es mehr als wahrscheinlich zu sein, daß Leighton Duff das herausgefunden hatte und dieses eine Mal seinem Sohn nach St. Giles gefolgt war. Diese Vermutung gründete Monk auf die Tatsache, daß es ihm nicht möglich gewesen war, jemanden zu finden, der Leighton Duff erkannte. Leightons Erscheinen in St. Giles war ein hinreichendes Motiv für den Streit, der daraufhin entbrannt war, die Auseinandersetzung, die so weit gegangen war, daß sie nur noch mit dem Tod des Menschen enden konnte, der wußte, was Rhys getan hatte… und der sein Vater war. Ob Arthur und Marmaduke Kynaston zugegen gewesen waren oder nicht und welche Rolle sie bei dem Ganzen gespielt hatten, würde noch bewiesen werden müssen.
    Monk mußte zu Evan gehen.
    Als erstes aber wollte er es Hester sagen. Sie sollte das alles nicht erst erfahren, wenn Evan kam, um Rhys zu verhaften. Es war schrecklich für Monk, es ihr sagen zu müssen, aber es würde noch schlimmer sein, wenn er das Thema mied. Der Mann auf der Straße, der ihm Fannys Namen genannt hatte, hatte ganz recht gehabt. Nicht einmal seine schlimmsten Feinde konnten ihm Feigheit nachsagen.
    Es war bereits spät, als Monk in der Ebury Street ankam. Ein bleicher Mond hing an einem frostklaren Himmel, und im Osten verschlangen die Wolken das schwache Licht und versprachen noch mehr Schnee.
    Der Butler öffnete die Tür und erklärte, daß er sich erkundigen werde, ob Miss Latterly Monk empfangen könne oder nicht. Zehn Minuten später stand Monk in der Bibliothek neben einem kleinen Feuer, als Hester eintrat. Sie schloß die Tür hinter sich zu und sah ihn mit angstvollen, fragenden Augen an.
    »Was gibt es Neues?« fragte sie ohne jede Einleitung. »Was ist passiert?«
    Hester wirkte so grimmig und verletzlich, daß er sich schmerzlich danach sehnte, sie vor dem Wissen um diese Dinge zu beschirmen, aber das war unmöglich. Er konnte sie belügen, aber damit würde er eine gewaltige Kluft zwischen ihnen aufreißen, und in wenigen Stunden, in ein oder zwei Tagen höchstens, würde Hester es ohnehin erfahren. Sie würde hier sein und die Verhaftung miterleben. Das Entsetzen, das Gefühl, verraten worden zu sein, würde sie dann nur um so schwerer treffen.
    »Ich habe jemanden gefunden, der Rhys mit Arthur und Duke Kynaston zusammen in St. Giles gesehen hat«, sagte Monk leise. Er hörte das Bedauern in seiner Stimme. Sie klang rauh, als schmerze seine Kehle. »Es tut mir leid. Ich muß damit zu Evan gehen.«
    Hester schluckte, und ihr Gesicht war weiß. »Damit ist noch nichts bewiesen!« Sie wehrte sich gegen das Unausweichliche, und sie wußten es beide.
    »Nicht, Hester!« bat er. »Rhys war da, zusammen mit zwei Freunden. Die Beschreibungen passen genau auf die drei. Wenn Leighton Duff über ihr Tun im Bilde war oder einen Verdacht hatte und wenn er Rhys gefolgt ist, um ihn zur Rede zu stellen oder zu verhindern, daß es wieder geschah, dann hatten sie ein mehr als ausreichendes Motiv, um ihn zu töten. Vielleicht hat er sie sogar gefunden, gleich nachdem sie an jenem Abend eine Frau überfallen hatten. In diesem Falle hätten sie

Weitere Kostenlose Bücher