Stilles Echo
keine Chance gehabt, irgend etwas zu leugnen.«
»Es… es könne Duke gewesen sein oder Arthur…« Hesters Worte verloren sich. Ihr Tonfall und ihr Blick verrieten, daß sie selbst nicht glaubte, was sie da sagte.
»Sind die beiden verletzt?« fragte er sanft, obwohl er die Antwort bereits in ihrem Gesicht gelesen hatte.
Sie schüttelte kaum merklich den Kopf. Es gab nichts mehr zu sagen. Hester starrte ihn an. Die Tatsachen umfingen sie wie ein Netz aus Eisen, unausweichlich, unentrinnbar. Sie suchte nach jeder nur denkbaren anderen Möglichkeit, und er beobachtete sie dabei, sah, wie sie jedesmal aufs neue scheiterte. Sie hatte keine echte Hoffnung mehr, und langsam erstarb sogar ihre Entschlossenheit.
»Es tut mir leid«, sagte er behutsam. Er überlegte, ob er hinzufügen sollte, wie sehr er sich einen anderen Ausgang seiner Ermittlungen gewünscht hatte, wie angestrengt er nach anderen Antworten Ausschau gehalten hatte, aber sie wußte es bereits. Solche Erklärungen waren zwischen ihnen nicht notwendig. Beide verstanden nur allzugut den dumpfen Schmerz des Wissens, dem man sich stellen mußte.
»Haben Sie schon mit Evan gesprochen?« fragte sie, als sie ihre Stimme wieder unter Kontrolle hatte.
»Nein. Ich werde es ihm morgen sagen.«
»Ich verstehe.«
Monk stand da, ohne sich zu bewegen. Er wußte nicht, was er sagen sollte, es gab keinen Trost, nichts. Dennoch wäre er gern bei ihr geblieben, um zumindest den Schmerz mit ihr zu teilen, auch wenn er ihn nicht lindern konnte. Manchmal war Teilen alles, was einem noch blieb.
»Vielen Dank, daß Sie es mir zuerst gesagt haben.« Sie lächelte ein wenig schief. »Ich denke…«
»Vielleicht hätte ich es nicht tun sollen«, sagte er mit jähem Zweifel. »Vielleicht wäre es einfacher für Sie gewesen, wenn Sie es nicht gewußt hätten? Dann wäre Ihre Reaktion ehrlich gewesen. Sie hätten heute nacht nicht wach liegen und darüber nachdenken müssen, daß Sie es wissen, während die anderen in diesem Haus noch nichts ahnen. Ich…«
Sie schüttelte sachte den Kopf.
»Ich habe ehrlich geglaubt, es sei das beste so«, fuhr er fort.
»Vielleicht habe ich mich geirrt. Ich war mir sicher, aber jetzt bin ich es nicht mehr.«
»Es wäre in beiden Fällen hart gewesen«, antwortete Hester und sah ihn mit demselben Freimut an, wie sie es in der Vergangenheit in ihren besten Stunden getan hatte. »Jetzt, da ich es weiß, werden die heutige Nacht und der Tag morgen schwer sein. Aber wenn Evan dann wirklich kommt, werde ich mich gewappnet haben, und ich werde die Kraft haben zu helfen, statt von meinem eigenen Entsetzen gelähmt zu sein. Ich werde nicht mehr darüber nachdenken müssen, wie ich es leugnen kann, werde keine Argumente oder Fluchtmöglichkeiten ersinnen müssen. Es ist am besten so. Bitte, Sie dürfen nicht daran zweifeln.«
Monk zögerte einen Augenblick und fragte sich, ob sie sich einfach zusammennahm und Stärke heuchelte, um seine Gefühle zu schonen. Dann sah er sie abermals an und wußte, daß das nicht stimmte. Sie verstand ihn auf eine Art und Weise, die auch diesen einzigartigen Fall überbrückte und ein Teil all der Triumphe und Katastrophen war, die sie je miteinander erlebt hatten.
Er ging auf sie zu, beugte sich ganz behutsam vor und küßte sie auf die Schläfe. Dann legte er seine Wange an ihre, und sein Atem bewegte leise eine Haarsträhne, die sich aus ihrer Frisur gelöst hatte.
Schließlich wandte er sich ab und verließ das Zimmer, ohne sich noch einmal umzusehen. Wenn er es getan hätte, hätte er vielleicht einen Fehler begangen, der sich nie wieder gutmachen ließ, und so weit war er noch nicht.
9
Evan wußte, daß Monk nach St. Giles hinübergegangen war.
»Was will er da drüben?« fragte Shotts argwöhnisch, als sie zum Revier zurückkehrten.
»Er will wissen, wer die Frauen in Seven Dials vergewaltigt hat«, erwiderte Evan. »Das ist ein Problem, bei dem wir nicht helfen können.«
Shotts stieß ein verächtliches Schnauben aus, in dem ein Unterton von etwas anderem lag, Furcht vielleicht. »Wenn er die Bastarde kriegt, wette ich, die werden sich wünschen, sie wären nie geboren. Ich möchte Monk nicht auf meinen Fersen haben, nicht mal dann, wenn ich nichts Unrechtes getan hätte!«
Evan sah ihn neugierig an. »Wenn Sie nichts Unrechtes getan hätten, wäre er Ihnen dann auf den Fersen?«
Shotts erwiderte seinen Blick, zögerte einen Moment lang, als wolle er seinem Vorgesetzten etwas anvertrauen, änderte
Weitere Kostenlose Bücher