Stilles Echo
dann aber seine Meinung.
»Natürlich nicht«, murmelte er.
Bei seiner Rückkehr auf das Polizeirevier wartete eine Nachricht von Monk auf Evan. Er wolle ihn sprechen, hieß es, und habe Informationen im Falle Leigthon Duff, die den ersten Teil der Nachforschungen zum Abschluß bringen würden. Das war eine sehr starke Ausdrucksweise für Monk, der niemals übertrieb, und Evan ging sofort wieder los, nahm einen Hanson in die Fitzroy Street und klopfte kurze Zeit später an Monks Tür.
Seit seinem letzten Besuch dort war einige Zeit verstrichen, und es überraschte ihn, wie behaglich, ja sogar einladend Monks Wohnung war. Der Grund für sein Hiersein beschäftigte ihn zu sehr, um seiner Umgebung mehr als flüchtige Aufmerksamkeit zu schenken, aber er war sich dennoch der persönlichen Atmosphäre des Raums bewußt. Alles um ihn herum war zu ruhig, zu behaglich, als daß er es jemals mit Monk in Verbindung gebracht hätte. Die Stuhllehnen waren mit Schonbezügen bespannt, und in einem großen Messingtopf stand eine kleine Palme. Das Feuer verströmte angenehme Wärme, als hätte es schon eine ganze Weile gebrannt. Evan stellte fest, daß er sich unwillkürlich entspannt hatte.
»Was gibt es denn?« fragte er, sobald er seinen Mantel ausgezogen hatte und noch bevor er auf dem Stuhl Monk gegenüber Platz nahm. »Was haben Sie herausgefunden? Haben Sie Beweise?«
»Ich habe Zeugen«, erwiderte Monk, während er sich, ohne Evan aus den Augen zu lassen, bequem zurücklehnte und die Beine übereinanderschlug. »Ich habe mehrere Leute, die Rhys Duff in der Zeit vor dem Mord in St. Giles gesehen haben, einschließlich einer Prostituierten, die er bei mehreren Gelegenheiten aufgesucht hat. Es steht ohne Zweifel fest, daß er es war. Sie hat ihn anhand des Bildes, das Sie mir gegeben haben, identifiziert, und sie kannte ihn beim Namen. Ihn und auch Arthur und Duke Kynaston. Ich habe sogar das letzte Opfer dieser Vergewaltigungen gefunden, eine Frau, die direkt vor dem Mord und nur wenige Meter von der Water Lane überfallen wurde.«
»Sie hat Rhys Duff identifiziert?« fragte Evan ungläubig. Das war beinahe zu gut, um wahr zu sein! Wie hatten er und Shotts das nur übersehen können? War Monk ihnen wirklich so überlegen? Waren sein Talent und seine Skrupellosigkeit so viel größer? Evan sah zu Monk hinüber. Der Feuerschein leuchtete rot auf seine mageren Wangen und warf Schatten über seine Augen. Es war ein starkes, kluges Gesicht, nicht unempfindsam, nicht ohne Phantasie oder die Fähigkeit, Mitleid zu zeigen. Jetzt lag eine gewisse Düsternis in diesen Zügen, als habe sein letzter Sieg nicht nur Möglichkeiten geschaffen, sondern auch zerstört.
Sein Gegenüber hatte viele Eigenschaften, die Evan nicht verstand, aber das hinderte ihn nicht daran, den anderen Mann zu mögen. Und er hatte niemals Angst gehabt, sich zu seiner Freundschaft zu bekennen.
»Nein«, antwortete Monk. »Sie hat mir drei Männer beschrieben, einen großen und ziemlich schlanken, einen kleineren von hagerem Körperbau und einen dritten von durchschnittlicher Größe und eher schmächtiger Gestalt. An die Gesichter konnte sie sich nicht erinnern.«
»Es könnten Rhys Duff und Duke und Arthur Kynaston gewesen sein, aber das ist kein Beweis«, wandte Evan ein. »Ein geschickter Verteidigungsanwalt würde die Sache in Stücke reißen.«
Monk legte die Fingerspitzen aneinander und sah Evan eindringlich an. »Dieser Verteidiger, den Sie im Sinn haben, wird fragen, warum um alles in der Welt Rhys Duff seinen Vater ermorden wollte«, sagte er. »Er war ein anständiger, guterzogener junger Mann, der, wie jeder andere Mann seines Alters und seiner Klasse sich gelegentlich mit einer Prostituierten vergnügte. Nur weil sein Vater in diesen Dingen ein wenig prüde und vielleicht auch ein wenig selbstherrlich war, ist das noch kein Grund für mehr als einen Streit oder eine Verringerung seines Taschengeldes. Aber die Antwort lautet anders: Leighton Duff hat seinen Sohn und dessen Freunde dabei überrascht, wie sie eine junge Frau schlugen und vergewaltigten. Er war entsetzt und angewidert. Ein solches Verhalten hätte er niemals dem natürlichen Appetit eines jungen Mannes zuschreiben können. Daher mußte er zum Schweigen gebracht werden.«
Evan hatte keine Mühe, dieser Argumentation zu folgen. Ein mögliches Motiv hatte ihnen bisher gefehlt. Ein Streit war ohne weiteres zu verstehen, selbst einige Handgreiflichkeiten im Laufe einer solchen
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