Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stilles Echo

Stilles Echo

Titel: Stilles Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
mageres Mädchen, kaum hübsch zu nennen, aber mit einem Gesicht, das hinter der Aufsässigkeit Intelligenz und auch Humor verriet, und unter anderen Umständen hätte sie durchaus eine Art von Charme besitzen können. Sie war jedenfalls wortgewandt, und ihr Gang und die Art, wie sie den Kopf hielt, ließen Arroganz ahnen. Es war keine Spur von Selbstmitleid in ihrem Benehmen zu entdecken. Sie schien Monk mit derselben Neugier zu begegnen wie er ihr.
    »Warum wollen Sie das wissen, hm? Was hat er Ihnen getan? Wenn er das Gesetz gebrochen hat, werde ich ihn nicht verpfeifen.«
    »Er hat Ihnen nicht weh getan?«
    »Mir weh getan? Was ist los mit Ihnen? Natürlich hat er mir nicht weh getan! Warum sollte er auch?«
    »Hat er Sie bezahlt?«
    »Warum wollen Sie das wissen?« Fanny legte den Kopf schräg und sah Monk mit großen, dunkelbraunen Augen an.
    »Sie sehen den Leuten gern zu, was?« In ihrer Stimme lag ein Anflug von Verachtung. »Das wird Sie aber was kosten!«
    »Nein, Sie irren sich«, entgegnete er scharf. »Eine Reihe von Frauen sind vergewaltigt und geschlagen worden, die meisten in Seven Dials, aber einige auch hier. Ich will die Männer haben, die dafür verantwortlich sind.«
    »Donnerwetter!« sagte sie voller Ehrfurcht. »Nun, mir hat niemand was getan. Er hat bezahlt, was vereinbart war, und ohne zu murren.«
    »Wann war das? Bitte, versuchen Sie, sich zu erinnern.« Sie dachte einen Augenblick lang nach.
    »War es vor oder nach Weihnachten?« drängte er. »Neujahr?«
    »Es war dazwischen«, sagte sie, als wäre es ihr plötzlich wieder eingefallen. »Dann war er nach Neujahr noch mal hier. Warum? Können Sie mir nicht sagen, was das alles soll? Sie glauben doch nicht, daß er es war, oder?«
    »Was glauben Sie denn?«
    »Niemals!« Sie legte den Kopf auf die Seite. »War er’s? Ehrlich?«
    »Wann haben Sie ihn das letzte Mal gesehen?«
    »Keine Ahnung. Bevor diese Typen in der Water Lane um die Ecke gebracht worden sind, habe ich ihn länger nicht gesehen. Und danach waren überall Bullen. Das ist nicht gut fürs Geschäft.«
    Monk nahm das Bild von Leighton Duff aus der Tasche.
    »Haben Sie diesen Mann jemals gesehen?« Sie betrachtete die Zeichnung. »Nein.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Ja. Den hab ich nie gesehen. Wer ist das? Ist das der Bursche, den sie totgeschlagen haben?«
    »Ja.«
    »Hm, ich habe Rhys – so heißt er – mit anderen Herren gesehen, aber der da war nicht dabei. Er hatte einen jungen Burschen bei sich, genauso jung wie er. Sah wirklich gut aus. Er nannte sich ›König‹ oder ›Prinz‹ oder so was. Der andere hieß Arthur.«
    »War es vielleicht Duke – Herzog?« Monk spürte, wie sein Pulsschlag sich beschleunigte. Das war es, hier hatte er jemanden gefunden, der die drei zusammen gesehen hatte und sogar ihre Namen kannte.
    »Ja, stimmt! War er wirklich ein Herzog?«
    »Nein. Das ist nur eine Abkürzung für Marmaduke!«
    »Oh, wie schade. Ich fände es lustig, wenn ich einen Herzog gehabt hätte. Na egal, was? Wenn sie die Hosen runterlassen, sind sie doch alle gleich.« Fanny lachte, als wäre sie ehrlich erheitert über die Scheinheiligkeit der Gesellschaft.
    »Und sie haben Sie alle bezahlt?« hakte Monk noch einmal nach.
    »Nein… dieser Duke war ein unangenehmer Typ. Er hätte mich geschlagen, wenn ich ihn gedrängt hätte, also habe ich es bleiben lassen. Ich habe einfach genommen, was ich kriegen konnte.«
    »Hat er Sie geschlagen?«
    »Nein. Ich weiß, wann ich mich in acht nehmen muß und wann nicht.«
    »Haben Sie ihn in der Nacht des Mordes gesehen?«
    »Nein.«
    »Keinen von ihnen.«
    »Nein.«
    »Verstehe. Vielen Dank.« Monk nahm einen Schilling aus der Tasche, alles, was er an Kleingeld noch übrig hatte, und gab ihn ihr.
    Dann setzte er seine Suche fort. Wie er vermutet hatte, hatte es sich bereits herumgesprochen, wen er suchte und warum. Ausnahmsweise einmal traten ihm die Leute weniger widerwillig entgegen. Ein oder zweimal wurde ihm sogar freiwillig Hilfe angeboten. Aber er wollte wenigstens noch einen weiteren Beweis. Hatte es in jener Nacht ein Opfer gegeben? Hatte Leighton Duff sie gefunden, bevor sie zugeschlagen hatten oder danach? Gab es überhaupt noch irgendwelchen Spielraum zu bestreiten, was Monk in Erfahrung gebracht hatte?
    Monk brauchte einen ganzen Tag, aber dann hatte er sie endlich gefunden, eine Frau Anfang Vierzig, immer noch hübsch trotz ihrer Müdigkeit und ihres ständigen Hustens. Man hatte ihr den Wangenknochen gebrochen, und

Weitere Kostenlose Bücher