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Stilles Echo

Stilles Echo

Titel: Stilles Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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sah?
    »Na ja, eben nicht wie ein Herr«, erwiderte der Mann und sah Monk ernsthaft an, als zweifle er an dessen Intelligenz. »Ich weiß, wie ein Herr auszusehen hat. Er hatte zwar einen Gehrock, aber nichts Besonderes. Kein Pelz am Kragen, kein Zylinder, kein Stock. Wenn ich so drüber nachdenke, fällt mir ein, daß er überhaupt keinen Hut aufhatte.«
    »Aber es war dieser Mann? Sind Sie sicher?«
    »Klar, bin ich mir sicher! Denken Sie, ich wüßte nicht, was ich sehe, oder halten Sie mich für einen Lügner?«
    »Es ist wichtig, daß Sie sich sicher sind«, sagte Monk mit Bedacht. »Könnte sein, daß das Leben eines Menschen davon abhängt.«
    Der Mann lachte ein schallendes, atemloses Lachen.
    »Sie sind mir ja ‘ne tolle Nummer! Aber daß Sie auch ein Witzbold sind, das habe ich noch nie gehört. Ich hab nur gehört, Sie wären ein cleverer Bursche, dem man besser nicht krumm kommt. Sie sind ein Schuft, aber meistens fair, auch wenn Sie einem Kerl genug Seil geben, um sich daran aufzuhängen – und Sie sehen zu, während er es tut. Sie lassen ihn in die Falle laufen, wenn er Ihnen ein Unrecht getan hat.«
    Monk spürte, wie die Kälte über seine Haut kroch. »Es war nicht komisch gemeint«, sagte er mit einer Stimme, die seltsam gepreßt klang. »Ich meinte nicht, daß jemand an einem Seil hängt, sondern daß es bei der Antwort um sein Leben geht.«
    »Na schön, aber wenn Sie diese Bastarde, die die Frauen drüben in Seven Dials vergewaltigt haben, nicht hängen wollen, was wollen Sie dann von ihnen? Wollen Sie sie bloß haben, weil sie feine Herren sind? Das sieht Ihnen gar nicht ähnlich. Ich habe noch nie gehört, nicht mal von Ihrem schlimmsten Feind, daß Sie irgend jemanden fürchten oder bevorzugen würden, egal aus welchem Grund.«
    »Nun, das ist wohl immerhin etwas. Ich werde die Männer nicht hängen, weil ich es nicht kann. Aber ich wäre glücklich, wenn ich es könnte.« Monk war sich nicht sicher, ob das stimmte. Glücklich war vielleicht nicht das richtige Wort, aber er wäre jedenfalls damit einverstanden gewesen. Er wußte, daß Hester anders dachte, aber das war unwichtig… Nun. jedenfalls beinahe unwichtig.
    »Wenn er es war«, sagte der Mann, der nun ein wenig zitterte, da sie schon ziemlich lange an der Straßenecke standen und er langsam zu frieren begonnen hatte. »Ich hab ihn drei-, vielleicht viermal hier gesehen. Immer am Abend.«
    »War er allein, oder war er mit anderen zusammen?«
    »Zweimal war er mit anderen hier. Einmal allein.«
    »Wer waren die anderen? Beschreiben Sie sie! Haben sie ihn jemals mit Frauen gesehen, und was waren das für Frauen?«
    »Moment mal! Moment mal! Einmal war er mit einem älteren Mann hier, kräftiger Typ und piekfein angezogen, wie ein Herr. Er war richtig wütend und hat ihn angebrüllt…«
    »Wer hat wen angebrüllt?« unterbrach Monk ihn.
    »Sie haben natürlich beide gebrüllt.«
    Monk zog das Bild von Leighton Duff aus der Tasche. »War das der Mann, oder hätte er es sein können?«
    Der andere betrachtete die Zeichnung einige Sekunden lang und schüttelte den Kopf. »Weiß nicht. Ich glaube nicht. Warum? Wer ist das?«
    »Das spielt keine Rolle. Haben Sie ihn gesehen, den älteren Mann?«
    »Nicht, daß ich wüßte. Sieht für mich aus wie’n paar andere Männer, die ich mal gesehen habe.«
    »Und beim zweiten Mal? Mit wem war der junge Mann beim zweiten Mal zusammen?«
    »Mit einer Frau. Jung, vielleicht sechzehn oder so. Sie sind zusammen in einer Gasse verschwunden. Was danach war, weiß ich nicht, aber ich kann’s mir denken.«
    »Vielen Dank. Sie wissen wohl nicht zufällig den Namen der Frau oder wo ich sie finden kann?«
    »Sah für mich aus wie Fanny Waterman, aber das heißt nicht, daß sie es war!«
    Monk konnte sein Glück kaum fassen. Er versuchte, seinen Triumph nicht allzusehr in seiner Stimme durchklingen zu lassen.
    »Wo kann ich sie finden?«
    »Black Horse Yard.«
    Monk war zu erfahren, um nach einer Hausnummer zu fragen. Er würde dort hingehen und sich einfach erkundigen müssen. Er gab dem Mann eine halbe Krone, eine gewaltige Belohnung, deren Höhe er wahrscheinlich später bedauern würde, und machte sich dann auf den Weg zum Black Horse Yard.
    Er brauchte zwei Stunden, um Fanny Waterman zu finden, und ihre Antworten stürzten ihn in völlige Verwirrung. Sie erkannte Rhys ohne Zögern.
    »Ja. Na und?«
    »Wann?«
    »Weiß nicht. Vielleicht drei oder viermal. Was geht das Sie an?« Fanny war ein zartes,

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