Stilles Echo
Oliver.«
Er sagte nichts, sondern stieß nur einen leisen Laut der Zustimmung aus.
Es war bereits Abend, als Rathbone in der Ebury Street eintraf.
»Sir Oliver Rathbone«, verkündete der Butler, und Rathbone folgte ihm in den Salon. Er war so elegant wie immer und verströmte die Gelassenheit eines Menschen, der sich seiner eigenen Stärke bewußt ist und es nicht nötig hat, andere zu beeindrucken.
»Guten Abend, Mrs. Duff«, sagte er mit einem angedeuteten Lächeln. »Miss Latterly.«
»Guten Abend, Sir Oliver«, erwiderte Sylvestra mit einer bewundernswerten Ruhe. »Es ist sehr freundlich von Ihnen, daß Sie sich herbemüht haben. Ich bin mir nicht sicher, was Sie für meinen Sohn werden tun können. Miss Latterly spricht in den höchsten Tönen von Ihnen, ich befürchte jedoch, daß unsere Situation sich jeder Hilfe entzieht. Aber bitte, nehmen Sie doch Platz.« Sie deutete auf den Stuhl gegenüber.
Hester saß ein kleines Stück abseits von ihnen auf dem Sofa und konnte die Gesichter von beiden beobachten.
»Man weiß nicht immer, wie man eine Verteidigung aufbauen muß, bevor man anfängt, Mrs. Duff«, antwortete er gelassen.
»Darf ich davon ausgehen, daß Sie jede nur erdenkliche Unterstützung für Ihren Sohn in seiner gegenwärtigen, tragischen Lage wünschen?« Er sah sie geduldig und freundlich an, als seien seine Worte eine simple Frage ohne jeden Druck.
»Ja«, erwiderte sie langsam. »Ja, natürlich. Ich…« Sie wirkte gefaßt, aber die Schatten unter ihren Augen und die feinen Linien der Erschöpfung um die Lippen verrieten, daß ihre Selbstbeherrschung ihr einen hohen Preis abverlangte.
Rathbone reagierte mit einem Lächeln. »Natürlich können Sie sich noch keinen Begriff machen, was sich überhaupt tun läßt. Ich gestehe, daß es mir nicht anders geht, aber das ist nicht ungewöhnlich. Was auch immer sich am Ende als Wahrheit erweisen wird, wir müssen dafür sorgen, daß, soweit irgend möglich, sowohl der Gerechtigkeit als auch der Barmherzigkeit Genüge getan wird. Und dazu braucht Mr. Duff einen Verteidiger, der für ihn kämpft, der daran glaubt, daß er der Hoffnung und des Schmerzes fähig ist und jede Chance verdient, sein Tun zu erklären.«
Sylvestra lächelte. »Die Art und Weise, wie Sie ihn verteidigen, ist schon jetzt unübertrefflich, Sir Oliver. Ich könnte nichts von dem, was Sie gesagt haben, leugnen. Niemand könnte das. Was mich verwirrt, ist die Frage, warum Sie meinen Sohn vertreten wollen«, fuhr sie fort. »Ihre Anwesenheit hier und erst recht Ihre Worte beweisen, daß Sie sich für seinen Fall interessieren. Ich bin mir durchaus darüber im klaren, daß Sie kein junger Mann sind, der sich einen Namen machen will, dem es nur um seine Karriere zu tun ist. Und ich weiß auch, daß Sie sich dafür nicht ausgerechnet diesen Fall aussuchen würden. Sie sind auch nicht so gierig nach Geschäften, daß Sie einfach jeden Fall übernehmen würden. Warum mein Sohn, Sir Oliver?«
Rathbone lächelte, und eine schwache Röte legte sich über seine Wangen.
»Miss Latterly zuliebe, Mrs. Duff. Ihr ist Rhys’ Geschick sehr zu Herzen gegangen, gleichgültig, ob er sich in dieser Sache als schuldig erweisen sollte oder nicht. Sie hat mich davon überzeugt, daß er die bestmögliche Verteidigung benötigt. Mit Ihrer Zustimmung werde ich alles in meiner Macht Stehende tun, um dafür zu sorgen, daß er sie bekommt.«
Hester spürte, wie ihr selbst das Blut ins Gesicht schoß, und sie wandte sich ab, um Rathbones Blick auszuweichen, falls er in ihre Richtung sah. Sie hatte seine Gefühle für sie ausgenutzt, ihn vielleicht sogar in die Irre geführt, denn sie war sich ihrer eigenen Empfindungen für ihn nicht einmal sicher. Doch sie hätte es wieder getan. Wenn nicht sie für Rhys kämpfte, tat es niemand.
Endlich entspannte Sylvestra sich, und ihre Schultern senkten sich ein wenig.
»Vielen Dank, Sir Oliver, sowohl für Ihre Ehrlichkeit als auch für Ihr Mitgefühl mit meinem Sohn. Ich fürchte, es wird, wenn überhaupt, nur sehr wenige andere Menschen geben, die so für ihn empfinden werden.«
Rathbone erhob sich. »Meine Aufgabe wird es sein, dafür zu sorgen, daß alles, was für ihn spricht, so beredt wie nur möglich dargestellt wird, Mrs. Duff. Jetzt würde ich gern selbst einmal mit Rhys sprechen. Vielleicht könnten Sie Miss Latterly gestatten, mich nach oben zu führen.«
Sylvestra erhob sich ebenfalls und machte einen Schritt nach vorn.
Rathbone hob die Hand, um
Weitere Kostenlose Bücher