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Stilles Echo

Stilles Echo

Titel: Stilles Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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strenger Mann«, erwiderte Sylvestra nachdenklich. Sie sah beim Sprechen nicht Rathbone an, sondern blickte auf ihren Teller. »Er legt großen Wert auf Selbstdisziplin, vor allem bei jungen Menschen. Selbstdisziplin ist seiner Meinung nach das Fundament eines starken Charakters, das, worauf sich Mut und Ehre gründen. Ohne Selbstdisziplin würde ein Mensch unweigerlich scheitern.« Sie sprach mit Bedacht, und in ihrer Stimme lag eine festverwurzelte Überzeugung. »Ich habe ihn diesen Satz viele Male sagen hören, – er wurde wegen dieser Einstellung sehr bewundert. Anderen mag es herzlos erscheinen, aber wenn er in seiner Position Ausnahmen machte, wenn er sich einem seiner Zöglinge gegenüber nachsichtig zeigte, würde ein solches Verhalten die Prinzipien, für die er steht, entwerten.« Ihre Miene war aufrichtig, aber ihre leicht gefurchte Stirn verriet, daß sie sich auf ihre Worte konzentrieren mußte und daß sie eher ein Produkt der Erinnerung als des Verständnisses waren.
    »Und er hatte das Gefühl, daß Rhys den anderen Jungen ein schlechtes Beispiel gab?« fragte Rathbone vorsichtig. »War Rhys kein guter Schüler?«
    Sylvestra schien überrascht zu sein. »Doch, seine Leistungen waren hervorragend. Aber Joels Augenmerk galt nicht allein den akademischen Studien, sondern vor allem der Moral. Seine Schule hat einen sehr guten Ruf, den sie überwiegend seinem eigenen Beispiel verdankt.« Sylvestra blickte auf ihre Hände hinab. »Manchmal denke ich, er hat einfach zu viel von den Jungen erwartet, hat vergessen, daß sie noch nicht über die Charakterstärke verfügen können, wie man sie von einem erwachsenen Mann erhoffen würde. Er hatte kein Verständnis für das Bedürfnis der Jugend, selbst die Grenzen zu erkunden. Rhys war ein Entdecker, der geistigen Welt meine ich. Zumindest…« Plötzlich begannen ihre Lippen zu zittern, und sie gab es auf. »Ich weiß nicht, was ich wirklich darüber denke.« Sie schluckte, und mit äußerster Anstrengung gelang es ihr, sich wieder zu fassen. »Es tut mir leid. Ich weiß, daß mein Mann großen Respekt für Joel Kynaston hatte. Er hielt ihn für einen ganz außerordentlichen Menschen.« Sie sprach hastig weiter, als befürchte sie eine Unterbrechung. »Es würde mich nicht überraschen, wenn Joel sein Tod sehr nahe geht, und er demjenigen, der dafür verantwortlich ist, nicht verzeihen kann. Es tut mir leid, Sir Oliver, aber Sie werden sich wohl anderswo umsehen müssen, wenn Sie jemanden suchen, der uns helfen wird.«
    Bevor Rathbone etwas erwidern konnte, wurde die Tür geöffnet, und Corriden Wade trat ein. Er sah zutiefst besorgt aus, und sein Gesicht war ausgezehrt, als hätte er nur wenig geschlafen. Seine Anspannung war fühlbar, noch bevor er etwas sagte. Wade sah Rathbone mit Überraschung und einiger Nervosität an.
    Sylvestra stand sofort auf und ging zu ihm hinüber, und in ihren Augen lagen Erleichterung und Hoffnung.
    »Corriden, das ist Sir Oliver Rathbone, den ich mit Rhys’ Verteidigung beauftragt habe. Wir suchen nach irgend etwas, das uns weiterhelfen könnte, was es auch sein mag. Er hat mit Joel gesprochen, aber Joel scheint das Gefühl zu haben, daß Rhys einen schlechten Einfluß auf Arthur und Duke ausgeübt hat. Und er wäre nicht der Mann, der er ist, wenn er irgend etwas anderes als die Wahrheit sagen könnte. Wahrscheinlich sollte ich diese Eigenschaft zu schätzen wissen, und wenn es nicht um Rhys ginge, wäre ich wohl auch die erste, die ihm Beifall zollen würde.« Sie biß sich auf die Unterlippe. »Was nur beweist, was für eine Heuchlerin ich bin, denn ich kann es nicht! Ich wünschte verzweifelt, er würde sich ein wenig nachsichtiger zeigen, eine Spur weniger auf Ehre und Anstand pochen! Ist es nicht schrecklich, daß ich so etwas sage? Ich hätte nie gedacht, daß ich solche Worte einmal aus meinem eigenen Mund hören müßte! Sie werden sich meiner schämen.«
    Wade legte einen Arm um sie.
    »Niemals, meine Liebe. Es ist nur menschlich, daß man jene, die man liebt, schützen möchte. Vor allem, wenn sonst niemand da ist, der das tun könnte. Sie sind seine Mutter. Ich würde nichts Geringeres von Ihnen erwarten.« Er blickte an Sylvestra vorbei zu Rathbone hinüber. »Guten Tag, Sir. Ich bin Corriden Wade, der Arzt der Familie, und Rhys ist gegenwärtig bei mir in Behandlung.« Er nickte Hester zu. »Und bei Miss Latterly natürlich. Sie hat sich bei seiner Pflege sehr verdient gemacht.«
    Rathbone war aufgestanden, als

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