Stilles Echo
Bericht zu erstatten.
12
Die Verhandlung gegen Rhys Duff hatte begonnen. Der Gerichtssaal war dicht besetzt, und bereits eine Stunde vor Beginn des Prozesses schlössen die Gerichtsdiener die Türen. Die Vorverhandlung war bereits abgeschlossen, die Geschworenen waren gewählt. Der Richter, ein gutaussehender Mann von militärischem Erscheinungsbild, rief den Geschworenen ihre Pflichten ins Gedächtnis. Er war mit einem deutlichen Hinken hereingekommen und nahm etwas unbeholfen in seinem hohen, geschnitzten Stuhl Platz, um sein steifes Bein vor sich ausstrecken zu können.
Vertreter der Anklage war Ebenezer Goode, ein Mann von merkwürdigem Aussehen, den Rathbone gut kannte und respektierte. Es widerstrebte Goode zutiefst, gegen einen so offensichtlich kranken Menschen wie Rhys Duff zu verhandeln, aber er empfand nicht nur vor dem Verbrechen, das dem jungen Mann zur Last gelegt wurde, tiefen Abscheu, sondern auch vor den vorangegangenen Vergewaltigungen, die das Motiv für den Mord bildeten. Goode machte bereitwillig Zugeständnisse an Rhys’ medizinische Bedürfnisse, indem er ihm gestattete, in der Anklagebank zu sitzen, statt zu stehen. Man hatte auf der Anklagebank, einem abgesperrten, erhöhten Podest einen gepolsterten Stuhl aufgestellt, um Rhys’ Schmerzen nach Möglichkeit nicht noch zu verschlimmern. Außerdem hatte Goode keine Einwände erhoben, als Rathbone darum bat, Rhys zu keiner Zeit in Handschellen zu legen, so daß er sich frei bewegen oder jede Position einnehmen konnte, die ihm ein Mindestmaß an Bequemlichkeit ermöglichte.
Corriden Wade war im Gerichtssaal und konnte hinzugezogen werden, falls man ihn benötigte, und Hester war ebenfalls anwesend. Beiden sollte unverzüglich Zutritt zur Anklagebank gewährleistet werden, sobald Rhys in irgendeiner Weise erkennen ließ, daß er ihre Hilfe benötigte.
Trotzdem war Rhys allein, als die Beweisaufnahme begann und er einer zutiefst feindseligen Zuschauermenge, seinen Anklägern und seinen Richtern gegenübersaß. Es gab niemanden, der für ihn eintrat, außer Rathbone, einer einsamen Gestalt in schwarzem Gewand und weißer Perücke, ein dünner Schutzwall gegen eine Flut des Hasses.
Goode rief seine Zeugen einen nach dem anderen auf: die Frau, die die beiden Leichen gefunden hatte, Constable Shotts und John Evan. Er führte Evan vorsichtig Schritt für Schritt durch seine Nachforschungen, ohne bei dem Grauen zu verweilen, dessen ganzes Ausmaß er geschickt durch Evans weißes Gesicht und seine gebrochene, heisere Stimme vermitteln ließ.
Goode rief Dr. Riley in den Zeugenstand, der leise und mit überraschend einfachen Worten Leighton Duffs schreckliche Wunden schilderte und die Art und Weise beschrieb, wie er gestorben sein mußte.
»Und der Angeklagte?« fragte Goode, der mit herabhängenden Armen wie eine riesige Krähe mitten im Saal stand. Sein adlerhaftes Gesicht mit den blassen Augen spiegelte lebhaft das Entsetzen über diese Tragödie wider, das er unverkennbar tief empfand.
»Auch er ist sehr schwer verletzt worden«, antwortete Riley ruhig.
Es war kaum ein Laut im Saal zu hören. Irgendwo raschelte ein Kleid, jemand seufzte. Die Geschworenen konzentrierten sich auf die Verhandlung.
»Ist viel Blut geflossen?« fragte Goode weiter. Riley zögerte.
Niemand bewegte sich.
»Nein«, sagte er schließlich. »Wenn ein Mensch getreten und mit Fäusten geschlagen wird, trägt er furchtbare Prellungen davon, aber die Haut wird dabei nicht unbedingt aufgerissen. Ein wenig Blut haben wir allerdings gefunden, vor allem an den Stellen, an denen die Rippen gebrochen waren. Eine der Rippen hatte die Haut durchstoßen. Und er hatte Blut am Rücken. Dort war das Fleisch aufgerissen worden.«
Ein leises Aufstöhnen ging durch den Raum. Mehrere der Geschworenen sahen sehr blaß aus.
»Aber Sergeant Evan sagte, die Kleidung des Angeklagten sei von Blut durchtränkt gewesen, Dr. Riley«, bemerkte Goode.
»Woher kam dieses Blut, wenn nicht von seinen Verletzungen?«
»Ich nehme an, es stammte von dem Toten«, erwiderte Riley.
»Dessen Wunden waren ernsterer Natur und die Haut an mehreren Stellen aufgeplatzt. Aber es überrascht mich doch, daß er so heftig geblutet hat.«
»Und der Beklagte hatte keine Verletzungen, die eine solche Menge Blut erklären könnten?« hakte Goode nach.
»Nein, solche Verletzungen hatte er nicht.«
»Vielen Dank, Dr. Riley.«
Rathbone erhob sich. Es bestand kaum eine Hoffnung, aber er hatte sonst nichts in der
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