Stilles Echo
Hand. Er mußte alles versuchen, wie gering die Chancen auch sein mochten. Noch wußte er nicht, was Monk herausgefunden hatte, und schließlich waren da auch noch Arthur und Duke Kynaston.
»Dr. Riley, haben Sie irgendeine Möglichkeit, festzustellen, wessen Blut es war, das man auf Rhys Duffs Kleidung gefunden hat?«
»Nein, Sir«, antwortete Riley ohne eine Spur von Ungehaltenheit. Seine gelassene Miene legte die Vermutung nahe, daß er selbst in dieser Sache keine Meinung hatte, sondern nur eine gewisse Bekümmerung darüber verspürte, daß es überhaupt zu dieser Tragödie gekommen war.
»Das Blut hätte also einer dritten oder sogar vierten Person gehören können, die bisher noch nicht erwähnt wurde?«
»Das wäre möglich, falls es eine solche Person gegeben hat.« Die Geschworenen schienen verwirrt zu sein.
Der Richter sah Rathbone nervös an, griff aber nicht ein.
»Vielen Dank«, sagte Rathbone mit einem Nicken. »Das ist alles, was ich Sie fragen wollte, Sir.«
Goode rief Corriden Wade in den Zeugenstand, der widerstrebend, mit blassem Gesicht und kaum hörbarer Stimme zugab, daß Rhys’ Verletzungen das Blut, das auf seiner Kleidung gefunden worden war, nicht erklären konnten. Nicht ein einziges Mal blickte er zur Anklagebank auf, wo Rhys reglos da saß, das Gesicht zu einem undeutbaren Ausdruck verzerrt, einer Mischung aus hilfloser Verbitterung und flammendem Zorn. Ebensowenig schien Wade zur Galerie zu blicken, wo Sylvestra neben Eglantyne saß, und beide Frauen der Verhandlung folgten. Wade wandte kein einziges Mal den Blick von Goode ab, während er bestätigte, daß die Ereignisse in der Todesnacht von Leighton Duff Rhys jeder Möglichkeit beraubt hätten, sich auszudrücken, sei es mündlich oder schriftlich. Er könne einzig nicken oder den Kopf schütteln. Der Arzt verlieh seiner tiefsten Besorgnis um das Wohlergehen des jungen Mannes Ausdruck und wollte sich nicht festlegen, ob er sich jemals wieder erholen würde.
Goode zögerte, als wolle er ihn nach weiteren Einzelheiten zu Rhys’ Persönlichkeit befragen, aber dann besann er sich plötzlich eines anderen. Er brauchte nichts anderes zu beweisen als die Tatsachen, und jede weitere Erkundung eines Motivs hätte Rathbone nur als Vorwand dienen können, eine Geistesgestörtheit anzudeuten. Also bedankte er sich bei Wade und kehrte zu seinem Platz zurück.
Nun trat Rathbone an seine Stelle. Er wußte, daß Wade der mitfühlendste Zeuge war, den er für seinen Mandanten bekommen konnte, abgesehen von Hester, die in den Zeugenstand zu rufen er jedoch keinen Vorwand finden konnte. Und doch wußte er Wade nichts zu fragen, das Rhys nicht mehr geschadet als genützt hätte. So dringend wie nie zuvor brauchte er irgendeinen Hinweis von Monk, und dabei wußte er nicht einmal, worauf er hätte hoffen sollen. Er stand einfach mitten im Saal und kam sich lächerlich vor. Die Geschworenen warteten darauf, daß er etwas sagte, daß er mit der Verteidigung seines Mandanten begann. Bisher hatte er nichts getan, als nach dem Blut auf Rhys’ Kleidung zu fragen.
Sollte er Wade auf den Verfall von Rhys’ Charakter ansprechen und somit den Boden für ein Plädoyer auf Geistesgestörtheit bereiten. Zumindest auf mildernde Umstände? Wahrscheinlich war es das, was Sylvestra wünschte. Es war das einzige, womit man sich eine solche Tat noch erklären konnte.
Aber vor dem Gesetz war das keine Verteidigung, nicht für Rhys. Er mochte durch und durch schlecht sein und aus vollkommen anderen Anschauungen heraus handeln als irgend jemand sonst in diesem überfüllten Saal, aber er war nicht geistesgestört, nicht in dem Sinne, daß er das Gesetz oder das Wesen seiner Taten nicht begriffen hätte. Es gab nicht das Geringste, was darauf hätte schließen lassen, daß er an Wahnvorstellungen litt.
»Vielen Dank, Dr. Wade«, sagte er mit einer Zuversicht, die er keineswegs empfand. »Ich glaube, Sie kennen Rhys schon fast sein Leben lang, ist das korrekt?«
»Das ist es«, pflichtete Wade ihm bei.
»Und Sie sind sein Arzt gewesen, wenn er ärztlicher Hilfe bedurfte?«
»Ja.«
»Wußten Sie, daß es zwischen ihm und seinem Vater ernsthafte und heftige Meinungsverschiedenheiten gab, und wenn ja, wußten Sie, um welches Thema es ging?«
Dies war eine Frage, die zu bejahen Wade außerordentlich schwerfallen mußte. Wenn er es zugab, würde es so aussehen, als sei er inkompetent, weil er nichts getan hatte, um diese Tragödie zu verhindern. Er mußte
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