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Stilles Echo

Stilles Echo

Titel: Stilles Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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von ihr abzuwenden, nahm er den ersten Schluck.
    Schließlich nahm sie ihm den leeren Becher ab. »Meinen Sie, daß Sie jetzt schlafen können?« fragte sie.
    Langsam, aber entschlossen schüttelte er den Kopf. Er wollte, daß sie blieb.
    »Sie haben einige sehr interessante Bücher.« Sie warf einen Blick auf das Regal. »Soll ich Ihnen vielleicht etwas vorlesen?« Er dachte einen Augenblick nach, dann nickte er. Am besten , sie wählte etwas, das mit seinem gegenwärtigen Leben möglichst wenig zu tun hatte. Außerdem durfte auch nicht die Andeutung von Gewalt darin enthalten sein. Nichts sollte ihn an seine eigene Erfahrung erinnern. Andererseits durfte es nicht zu langweilig sein.
    Hester trat an das Regal und versuchte, im Schein des Feuers, das jetzt wieder munter brannte, die Titel zu entziffern. »Wie wäre es mit der Geschichte von Byzanz?« schlug sie vor.
    Er nickte abermals, und sie kehrte mit dem Buch in der Hand zu seinem Bett zurück. »Ich muß das Gas anzünden.«
    Er nickte zustimmend, und eine Dreiviertelstunde lang las sie mit ruhiger Stimme ein Kapitel aus der farbenprächtigen und trügerischen Geschichte jenes großen Zentrums des Reiches vor, von seinen Bräuchen und seinen Bewohnern, seinen Intrigen und Machtkämpfen. Schließlich schlief er widerstrebend ein, und sie klappte das Buch zu, nachdem sie die Seite markiert hatte. Dann löschte sie das Licht wieder und schlüpfte mit einem Gefühl, das beinahe an Jubel grenzte, auf Zehenspitzen wieder in ihr Zimmer zurück.
    Dr. Wade kam am späten Vormittag. Er wirkte nervös, sein Gesicht war verkniffen, und er hatte dunkle Ringe unter den Augen. Er humpelte, nachdem er am vergangenen Wochenende vom Pferd gefallen war, und hatte selbst noch Schmerzen. Wade kam beinahe sofort nach oben, und Hester begegnete ihm auf dem Treppenabsatz.
    »Wie geht es ihm, Miss Latterly? Ich fürchte, ich habe Ihnen da eine ganz erbärmliche Stelle verschafft. Das tut mir aufrichtig leid.«
    »Bitte, entschuldigen Sie sich nicht, Dr. Wade«, antwortete sie ernst. »Ich habe nicht den Wunsch, nur die leichten Fälle zu übernehmen.«
    Sein Gesichtsausdruck wurde weicher. »Wie dankbar ich dafür bin! Ich habe viel Gutes von Ihnen gehört, und das hat, wie es scheint, seinen Grund. Dennoch, es muß Sie sehr bekümmern, daß Sie nur so wenig tun können, um ihm zu helfen. Niemand kann da viel tun.« Er runzelte die Stirn und blickte zu Boden. Mit gesenkter Stimme fuhr er schließlich fort:
    »Ich kenne die Familie schon seit Jahren, Miss Latterly, seit ich von der Marine kam.«
    »Von der Marine?« Das war eine Überraschung für sie. Dieser Gedanke wäre ihr niemals gekommen. »Ich entschuldige mich… ich habe kein Recht, zu…«
    Er lächelte plötzlich, und seine Züge nahmen einen vollkommen anderen Ausdruck an. »Ich war vor zwanzig Jahren Marinearzt. Einige der Männer, die ich gepflegt habe, hatten unter Nelson gedient.« Sein Blick begegnete dem ihren, und seine Augen leuchteten bei der Erinnerung. Es schien, als sehe er sekundenlang eine andere Epoche vor sich, eine andere Welt.
    »Ein alter Matrose, dem ich das Bein amputiert habe, nachdem sich eine Kanone losgerissen und ihn an den Schott genagelt hatte, war bei dem Sieg bei Trafalgar mit dabei.« Seine Stimme klang belegt, so sehr konzentrierte er sich auf die Vergangenheit. »Ich glaube nicht, daß es eine zweite Frau in meiner Bekanntschaft gibt, der ich das sagen könnte, und die überhaupt keine Vorstellung davon hat, was das bedeutet. Aber Sie haben den Krieg mitangesehen, Sie haben den Mut inmitten des Grauens erlebt, die Furchtlosigkeit und die Stärke, die Kraft, Schmerzen zu ertragen und dem Tod ins Auge zu sehen. Ich denke, wir teilen eine Erfahrung, die die Menschen um uns herum niemals begreifen können. Ich bin ungeheuer dankbar dafür, daß Sie den armen Rhys pflegen und hier sein werden, um Sylvestra während dieser Zeit, die für sie nur ein furchtbares Martyrium sein kann, zu stützen.«
    Er sagte es zwar nicht ausdrücklich, aber sie las es in seinen Augen, daß er sie auf die Tatsache vorbereitete, daß Rhys sich möglicherweise nicht erholen würde. Sie wappnete sich innerlich gegen die Dinge, die die Zukunft bereithalten mochte.
    »Ich werde alles in meinen Kräften Stehende tun«, versprach sie und hielt seinem Blick stand.
    »Dessen bin ich gewiß.« Er nickte. »Ich habe nicht den geringsten Zweifel daran. Und nun möchte ich ihn untersuchen. Allein. Ich bin sicher, Sie verstehen

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