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Stilles Echo

Stilles Echo

Titel: Stilles Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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flüchtig an, und in seinem Blick standen Schmerz und Unsicherheit. Dann wandte er sich ab und ging weiter die Treppe hinauf.
    Hester und Sylvestra warteten im Salon. Sie saßen zu beiden Seiten des Feuers, steif und aufrecht und sprachen nur gelegentlich in knappen, abgehackten Sätzen miteinander.
    »Ich kenne Corriden Wade schon seit Jahren«, bemerkte Sylvestra plötzlich. »Er war ein sehr, sehr guter Freund meines Mannes. Leighton hat ihm absolut vertraut. Er wird das Menschenmögliche für Rhys tun.«
    »Natürlich. Ich habe von ihm gehört. Sein Ruf ist exzellent. Er genießt überall größtes Ansehen.«
    »Ach ja? Ja. Ja, natürlich.«
    Die Minuten verrannen. Die Glut im Feuer wurde dürftiger, doch keine der beiden Frauen machte Anstalten, nach dem Mädchen zu läuten, damit es weitere Kohlen auflegte.
    »Seine Schwester, Eglantyne, ist eine liebe Freundin von mir.«
    »Ja. Das hat er mir erzählt. Er sagte, sie würde Sie vielleicht bald aufsuchen.«
    »Ich hoffe es. Hat er das gesagt?«
    »Ja.«
    »Sollten Sie nicht… bei ihm sein?«
    »Nein. Er meinte, es wäre besser, wenn er allein zu ihm ginge.
    Weniger beunruhigend.«
    »Ist das wahr?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Noch mehr Zeit verfloß. Hester beschloß, das Feuer selbst zu schüren. Da kehrte Corriden Wade mit grimmiger Miene zurück.
    »Wie geht es ihm?« fragte Sylvestra, und ihre Stimme klang gepreßt und schrill vor Angst. Sie erhob sich, ohne sich dessen bewußt zu sein.
    »Er ist sehr krank, meine Liebe«, erwiderte Wade leise. »Aber ich habe jede Hoffnung, daß er sich erholen wird. Er braucht so viel Ruhe wie nur möglich. Lassen Sie nicht zu, daß er noch einmal solchermaßen gestört wird. Er kann der Polizei nichts sagen. Man darf ihm nicht noch einmal so zusetzen, wie das heute geschehen ist. Jede Erinnerung an die schrecklichen Dinge, die er zweifellos nicht nur mit angesehen, sondern auch erlitten hat, kann seinen Zustand nur beträchtlich verschlimmern. Möglicherweise könnte etwas Derartiges sogar einen kompletten Rückfall verursachen. Was in Anbetracht der Umstände kein Wunder wäre.«
    Wade sah Hester an. »Wir müssen ihn schützen, Miss Latterly. Ich vertraue darauf, daß Sie sich diese Aufgabe zu eigen machen werden! Ich lasse Ihnen ein Pulver da, das Sie ihm in warmer Milch verabreichen können oder in Rinderbrühe, falls ihm das lieber sein sollte. Das Pulver wird ihm zu einem tiefen, traumlosen Schlaf verhelfen.« Wade runzelte die Stirn.
    »Und ich muß absolut darauf bestehen, daß Sie mit ihm nicht über sein Martyrium sprechen und seine Gedanken auch in keiner anderen Weise darauf lenken werden. Er kann sich an nichts von alledem erinnern, ohne daß es ihm Qualen bereitet. Jedem jungen Mann, der auch nur über einen Funken Anstand und Feingefühl verfügt, würde es genauso ergehen. Ich stelle mir vor, daß Sie oder ich nicht anders empfinden würden.«
    Hester hegte nicht den leisesten Zweifel, daß er mit seinen Sorgen richtig lag. Sie hatte es mit eigenen Augen gesehen.
    »Natürlich«, pflichtete sie ihm bei. »Vielen Dank. Ich werde froh sein, wenn er ein wenig Linderung findet und wenn er etwas schlafen kann, ohne daß ihn seine furchtbaren Träume quälen.«
    Wade lächelte sie an. Sein Gesicht war freundlich und voller Wärme.
    »Ich wußte, daß Sie so empfinden, Miss Latterly. Rhys kann von Glück sagen, Sie bei sich zu haben. Ich werde weiterhin jeden Tag vorbeikommen, aber zögern Sie nicht, häufiger nach mir zu schicken, falls Sie mich brauchen sollten.« Dann wandte er sich an Sylvestra. »Ich glaube, Eglantyne wollte morgen vorbeikommen, wenn es angenehm ist? Darf ich ihr sagen, daß Sie sie empfangen werden?«
    Endlich entspannte auch Sylvestra sich ein wenig, und der Hauch eines Lächelns glitt über ihre Lippen.
    »Bitte tun Sie das. Vielen Dank, Corriden. Ich kann mir nicht vorstellen, wie wir diese Sache ohne Ihre Freundlichkeit und Ihr Können überstehen sollten.«
    Ihre Worte schienen ihm ein leises Ungemach zu bereiten.
    »Ich wünschte, es wäre nicht notwendig gewesen. Das alles ist tragisch, sehr tragisch.« Er richtete sich auf. »Ich werde morgen wiederkommen, meine Liebe, und ich hoffe, daß Sie bis dahin ein wenig Mut gefaßt haben. Wir werden tun, was in unseren Kräften steht, Miss Latterly und ich.«

3
    Monk saß allein in dem breiten Sessel in seiner Wohnung in der Fitzroy Street. Er wußte nichts von Evans Fall und auch nicht, daß Hester mit einem der Opfer zu tun hatte. Hester

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