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Stilles Echo

Stilles Echo

Titel: Stilles Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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heftig zitterte und in Gefahr zu stehen schien zu ersticken.
    »Hören Sie auf damit!« rief sie ihn laut und deutlich an.
    »Niemand wird Ihnen etwas tun! Versuchen Sie nicht, irgend etwas zu sagen. Atmen Sie einfach ganz ruhig ein und aus! Ganz ruhig! Tun Sie, was ich sage!«
    Sie hörte, wie die Tür ins Schloß fiel, als Evan und Sylvestra den Raum verließen.
    Allmählich klang Rhys’ Hysterie ab. Er begann, wieder gleichmäßiger zu atmen, das schnarrende Geräusch in seiner Kehle verstummte, und auch das Zittern legte sich nach und nach.
    »Atmen Sie langsam weiter«, sagte sie. »Sachte. Ein – aus. Ein – aus.« Sie lächelte ihn an.
    Wachsam und ein wenig unsicher erwiderte er ihr Lächeln.
    »Ich werde Ihnen jetzt einen Becher heiße Milch holen und einen Kräutertrank, der Ihnen helfen wird. Sie brauchen Ruhe.«
    Furcht verdunkelte seine Augen aufs neue.
    »Es wird niemand hereinkommen.«
    Ihre Worte schienen ihn nicht zu trösten.
    Und dann begriff sie plötzlich, er hatte Angst vor Träumen. Das Grauen lag in ihm selbst.
    »Sie brauchen nicht zu schlafen. Liegen Sie einfach still da. Die Kräuter werden Ihnen keinen Schlaf bringen.«
    Er entspannte sich, sein Blick suchte den ihren.
    Aber er schlief dann doch, mehrere Stunden lang, und sie saß neben ihm, beobachtete ihn und war darauf gefaßt, ihn zu wecken, sobald er Zeichen der Unruhe zeigte.
    Am späten Nachmittag kam Corriden Wade. Er wirkte sehr besorgt, als Hester ihm von Rhys’ Beunruhigungen erzählte und von dem Alptraum, der so lang anhaltenden Schmerz und Hysterie nach sich gezogen hatte. Wades Gesicht verzog sich vor Kummer, und sein eigenes körperliches Ungemach nach dem Sturz war vollends vergessen.
    »Der Zustand des Jungen ist überaus beunruhigend, Miss Latterly. Ich werde nun nach oben gehen und ihn untersuchen. Diese Wendung der Ereignisse gefällt mir gar nicht.«
    Hester machte Anstalten, ihm zu folgen.
    »Nein«, sagte er jäh und hob die Hand, als wolle er sie daran hindern. »Ich möchte mit ihm allein sein. Die Vorfälle haben ihn offensichtlich zutiefst erregt. Es ist in seinem besten Interesse und dient dazu, ihm weitere Hysterieattacken zu ersparen, wenn ich ihm bei meiner Untersuchung die mögliche Verlegenheit erspare, diese Dinge im Angesicht eines fremden Menschen, noch dazu einer Frau, über sich ergehen zu lassen.« Wade lächelte kurz. Es war nur ein winziges Aufflackern, eher eine Art Botschaft als ein Zeichen des Frohsinns. Was da vorgefallen war, machte ihm offensichtlich sehr zu schaffen. »Ich kenne Rhys seit seiner Kindheit«, erklärte er. »Ich kannte auch seinen Vater sehr gut, Gott sei seiner Seele gnädig, und meine Schwester ist seit langen Jahren schon eine gute Freundin von Sylvestra. Sie wird zweifellos bald herkommen und Sylvestra Trost und alle nur erdenkliche Hilfe anbieten.«
    »Das wäre gut…«, setzte Hester an.
    »Ja, natürlich«, unterbrach er sie. »Ich muß jetzt zu meinem Patienten, Miss Latterly. Mir scheint, daß sein Zustand eine Wendung zum Schlechteren erfahren haben könnte. Möglicherweise wird es notwendig sein, ihn für eine Weile unter Beruhigungsmitteln zu halten, damit er sich in seinem seelischen Aufruhr nicht womöglich weitere Verletzungen zufügt.«
    Hester berührte ihn am Arm. »Aber er hat Angst zu schlafen, Doktor! Dann nämlich kommen die Träume.«
    »Miss Latterly, mir ist durchaus bewußt, daß sein Wohlergehen Ihnen am Herzen liegt.« Seine Stimme war sehr leise, beinahe sanft, aber seine eigene, eiserne Entschlossenheit war nicht zu überhören. »Seine Verletzungen sind sehr ernst, ernster, als Ihnen bewußt ist. Ich kann nicht riskieren, daß er sich noch einmal derart erregt und seine Wunden vielleicht aufreißt. Das könnte tödlich sein.« Wade sah sie ernst an. »Wir haben es hier mit einer Art von Gewalt zu tun, mit der weder Sie noch ich normalerweise konfrontiert sind. Wir kennen den Krieg und seine Helden, die weiß Gott schon schlimm genug waren. Dies hier ist ein Martyrium von ganz anderem Kaliber. Wir müssen ihn vor sich selbst beschützen, zumindest für eine Weile. In einigen Wochen mag es ihm schon besser gehen; wir können nur hoffen.«
    Ihr blieb nichts anderes übrig, als sich zu fügen.
    »Vielen Dank.« Seine Miene wurde weicher. »Ich bin mir sicher, daß wir hervorragend zusammenarbeiten werden. Wir haben so viel gemeinsam, sind beide durch eine harte Schule gegangen, was Ausdauer und Urteilskraft betrifft.« Er lächelte Hester

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