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Stilles Echo

Stilles Echo

Titel: Stilles Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Evan. »Ich werde sie auch nicht in Verlegenheit bringen, indem ich frage.«
    Monk sah hastig zu ihm auf, dann schaute er wieder auf seine Pastete hinunter.
    »Und Sie? Sind Sie mit Ihrem Fall irgendwie weitergekommen?« fragte Evan.
    Monks Miene verdüsterte sich, und die Haut über seinen Wangen straffte sich. Sein Ärger war unverkennbar.
    »Zwei oder drei Männer sind ziemlich regelmäßig nach Seven Dials gekommen, gewöhnlich an einem Dienstag oder Donnerstag, und immer zwischen zehn Uhr abends und zwei oder drei Uhr morgens. Soweit ich das in Erfahrung bringen konnte, waren sie nicht betrunken und sind auch weder in Schankstuben noch Bordelle gegangen. Niemand scheint ihre Gesichter deutlich gesehen zu haben. Einer war überdurchschnittlich groß, die beiden anderen ganz gewöhnlich, der eine eine Spur schwerer als der andere. Ich habe Kutschen gefunden, die sie anschließend zum Portman Square gefahren haben oder zum Eaton Square.«
    »Aber da liegen Meilen dazwischen!« entfuhr es Evan. »Nun, jedenfalls eine ganz hübsche Strecke.«
    »Ich weiß«, fuhr Monk fort. »Sie haben sich auch zum Cardigan Place fahren lassen, zum Belgrave Square und in die Wimpole Steet. Ich bin mir vollauf im klaren darüber, daß sie in drei verschiedenen Bezirken leben könnten, wahrscheinlich aber ganz einfach die Droschken gewechselt haben. Ich brauche niemanden, der mich auf das Offensichtliche hinweist. Was ich brauche, ist eine Polizei, die sich darum kümmert, daß mehr als ein Dutzend Frauen verprügelt wurden, daß einige von ihnen schwer verletzt wurden und, soweit es diese Tiere scherte, hätten tot sein können! Was ich brauche, ist ein klein wenig Engagement für die Armen, ebenso wie für die Bewohner der Ebury Street. Ein klein wenig blinde Gerechtigkeit, statt einer Gerechtigkeit, die so verdammt aufmerksam nach der Form und Größe der Taschen schielt, nach dem Schnitt eines Gehrocks, bevor sie die Entscheidung trifft, ob sie sich für jemanden interessiert oder nicht!«
    »Das ist unfair«, entgegnete Evan und erwiderte den Blick des anderen mit ebenso großem Ärger. »Wir verfügen auch nur über begrenzte Zeit, über eine begrenzte Zahl von Männern, und das wissen Sie genausogut wie ich. Und selbst wenn wir die Schuldigen finden, was würde es nutzen? Wer wird sie anklagen? Die Sache würde nie vor Gericht kommen, und auch das wissen Sie!« Er beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf den Tisch. »Was erhoffen Sie sich, Monk? Private Rache? Dann sollten Sie verdammt sicher sein, daß Sie mit Ihren Anschuldigungen richtig liegen!«
    »Ich werde mir sicher sein!« stieß Monk mit zusammengebissenen Zähnen hervor. »Ich werde Beweise haben, bevor ich handle.«
    »Und was dann? Mord?« wollte Evan wissen. »Sie haben kein Recht, das Gesetz in Ihre eigenen Hände zu nehmen oder es in die Hände von Menschen zu legen, die sich dann ihrerseits zu Richtern aufschwingen. Das Gesetz gehört uns allen, sonst ist keiner von uns mehr sicher!«
    »Sicher!« explodierte Monk. »Sagen Sie das mal den Frauen in Seven Dials! Was Sie da reden, ist reine Theorie. Ich habe es mit Tatsachen zu tun!«
    Evan gab nicht nach. »Wenn Sie diese Männer finden und Ihren Arbeitgebern sagen, wer sie sind, und diese Leute dann einen Mord begehen, dann ist das auch eine Tatsache.«
    »Und? Welche Alternative haben Sie zu bieten?« fragte Monk.
    »Keine«, gab Evan zu. »Ich weiß keine.«

6
    Wie er Evan erzählt hatte, konnte Monk erste Ansätze eines Erfolges aufweisen, soweit es die Suche nach den Verantwortlichen für die Vergewaltigungen in Seven Dials betraf. Er wußte allerdings noch nicht genau, ob sie im allgemeinen zu dritt oder zu zweit gewesen waren. Kein Kutscher konnte die drei Männer einigermaßen verläßlich beschreiben. Alles, was Monk zu hören bekam, war ungenau, vage, kaum mehr als ein flüchtiger Eindruck: gebeugte Gestalten im Nebel und in der Kälte der Winternacht, Stimmen in der Dunkelheit, Anweisungen, was ein bestimmtes Ziel betraf, Schatten, die sich hin und herbewegten, eine jähe Verlagerung des Gewichtes in der Kutsche. Einer der Kutscher war sich beinahe sicher, daß eine der Personen an einer Kreuzung ausgestiegen war, als er einmal wegen des Verkehrs hatte stehenbleiben müssen.
    Ein anderer hatte gesagt, einer seiner Fahrgäste habe stark gehustet. Einer sei naß gewesen, als habe er sich in der Gosse gewälzt oder sei in ein Wasserfaß gefallen. Einer hatte im Kutschenlicht flüchtig ein blutiges

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