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Stilles Echo

Stilles Echo

Titel: Stilles Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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kannte. Die Antworten, die er bekam, verrieten, daß die Leute seine Anteilnahme für echt hielten.
    »Ich wußte gar nicht, daß Sie diesen Bezirk so gut kennen«, bemerkte Evan, als sie stehenblieben und einem Händler an der Ecke einer Hauptdurchgangsstraße Pasteten abkauften. Die Pasteten waren heiß und rochen stark nach Zwiebeln. Solange er nicht allzu genau darüber nachdachte, was sie wohl enthalten mochten, waren sie ausgesprochen köstlich. Außerdem wärmten sie ihn von innen, was höchst willkommen war, da die Temperaturen weiter gesunken waren und der feine Nieselregen sich in Eisnadeln verwandelt hatte.
    »Das ist meine Aufgabe«, erwiderte Shotts, während er in das Teigstück biß. Er sah Evan nicht an. »Ich könnte meine Arbeit nicht richtig tun, wenn ich die Straßen und die Leute hier nicht kennen würde.«
    Es schien ihm zu widerstreben, weiter darüber zu reden. Wahrscheinlich war er nicht an Lob gewöhnt und von bescheidenem Wesen, so daß Evans Worte ihm peinlich waren. Der Sergeant ging der Sache nicht weiter nach.
    Sie setzten ihre fruchtlose Unternehmung fort. Alle Antworten waren entweder negativ oder ungewiß. Niemand erkannte Leighton Duff, darauf beharrten die Leute, aber ein halbes Dutzend von ihnen hielt es für möglich, daß sie Rhys gesehen hatten – aber vielleicht auch nicht. Niemand erwähnte die Gewalttaten in Seven Dials. Die beiden Bezirke hätten in verschiedenen Welten liegen können.
    Schließlich versuchten sie es auch bei den Straßenhändlern aus der Gegend, bei den Bettlern, einigen Pfandleihern und Schankwirten. Zwei Bettler hatten wohl ein halbes Dutzend Mal jemanden gesehen, auf den Rhys’ Beschreibung paßte. Sie glaubten es, jedenfalls vielleicht.
    Es war ein fahrender Straßensänger, ein dünner, schmächtiger Mann mit verfilzten! schwarzem Haar und großen blauen Augen, der die Antwort gab, die Evan am meisten überraschte und bestürzte. Als sie ihm die Bilder gezeigt hatten, war er sich ganz sicher, Leighton Duff schon einmal gesehen zu haben, und zwar ganz am Rand von St. Giles. Er sei allein gewesen und habe offensichtlich nach jemandem gesucht, ihn selbst aber nicht angesprochen. Er hatte gesehen, wie der Mann mit einer Frau redete, die als Prostituierte bekannt war. Der Mann, den er für Leighton Duff hielt, hatte sie anscheinend etwas gefragt, und als sie abgelehnt hatte, war er weitergegangen und hatte sie stehenlassen. Der Straßensänger war sich ganz sicher. Er antwortete, ohne einen Augenblick zu zögern, und er rechnete nicht mit einer Belohnung. Außerdem war er davon überzeugt, auch Rhys mehrmals gesehen zu haben.
    »Woher wissen Sie, daß es sich um diesen Mann handelt?« fragte Evan zweifelnd, während er gleichzeitig versuchte, sich des Gefühles zu erwehren, einen Sieg errungen zu haben. Nicht daß es ein besonders beeindruckender Sieg gewesen wäre. Es war ein Fingerzeig und kein Beweis für irgend etwas und davon abgesehen nichts anderes als das, was er bereits vermutet hatte.
    »In einem Bezirk wie diesem treiben sich bei Dunkelheit gewiß viele junge Männer herum.«
    »Ich habe ihn unter den Laternen gesehen«, entgegnete der Straßensänger. »Ich mache mein Geld mit Gesichtern, zumindest einen Teil davon. Vor allem an seine Augen kann ich mich erinnern. Ganz anders als bei den meisten Leuten. Groß und fast schwarz. Er sah ziemlich verloren aus.«
    »Verloren?«
    »Ja, als wüßte er nicht recht, was er will und in welche Richtung er sich wenden soll. Man hatte den Eindruck, daß er irgendwie unglücklich war.«
    »Das kann in dieser Gegend nichts Ungewöhnliches sein.«
    »Er gehörte aber nicht hierher. Ich kenne die meisten von denen, die hierhergehören. Stimmt’s nicht, Mr. Shotts?«
    Shotts sah erschrocken aus. »Ja… ja, wahrscheinlich.«
    »Aber Sie gehen doch auch nach Seven Dials hinüber.« Evan fiel wieder ein, was Shotts über den Straßensänger gesagt hatte, der ihm von Monks Fall erzählte. »Haben Sie ihn da auch mal gesehen?« Es war ein Schuß ins Blaue, aber zumindest versuchen mußte man es.
    »Ich?« Der Straßensänger schien überrascht zu sein und sah Evan mit großen blauen Augen an. »Ich gehe nicht nach Seven Dials. Das hier ist mein Gebiet.«
    »Aber Sie wissen, was da drüben passiert?« Er wollte nicht allzu leicht aufgeben, und irgend etwas nagte an ihm.
    »Tut mir leid, Chef, keine Ahnung. Da müssen Sie einen von denen fragen, die da drüben arbeiten. Versuchen Sie es mal bei Jimmy Morrison. Der

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