Stilles Echo
Gesicht gesehen.
Nichts von alledem lieferte den Beweis, daß einer dieser Männer etwas mit dem Verbrechen zu tun hatte, das Monk aufzuklären versuchte.
Am Sonntag, als er wußte, daß er sie daheim antreffen würde, sagte er genau das zu Vida Hopgood. Sie saßen in Vidas rotem Salon vor einem kräftigen Feuer und nippten von einem dunkelbraunen Tee mit so starkem Aroma, daß Monk dankbar für die klebrige Süße des Getränks war, die den Geschmack ein wenig dämpfte. »Das heißt, Sie geben sich geschlagen?« fragte Vida verächtlich, aber er hörte den Anflug von Enttäuschung in ihrer Stimme und sah den Schatten, der sich über ihre Augen legte. Sie war wütend, aber ihre Schultern sackten unter der Last verlorener Hoffnung in sich zusammen.
»Nein, das tue ich nicht!« antwortete er scharf. »Ich erzähle Ihnen lediglich, was ich bisher in Erfahrung gebracht habe. Das habe ich Ihnen versprochen, wie Sie sich vielleicht erinnern werden?«
»Ja«, stimmte sie widerstrebend zu, aber sie hatte sich ein wenig aufrechter hingesetzt. Vida sah ihn mit schmal gewordenen Augen an. »Sie glauben uns doch, daß die Frauen vergewaltigt wurden, oder?«
»Ja, das glaube ich«, sagte er bestimmt. »Nicht unbedingt alle von denselben Männern, aber zumindest acht von ihnen sind wahrscheinlich von denselben Tätern überfallen worden, und in drei Fällen kann ich vielleicht etwas beweisen.«
»Vielleicht?« fragte sie argwöhnisch. »Was nutzt uns ein ›vielleicht‹? Was ist mit den anderen? Wer hat denn die überfallen?«
»Ich weiß es nicht, und es spielt auch keine Rolle. Wenn wir zwei oder drei Fälle beweisen können, dann wäre das genug, nicht wahr?«
»Ja! Ja, vollkommen.« Sie starrte ihn an und forderte ihn förmlich heraus, sie zu fragen, was sie dann zu unternehmen gedachte.
Monk hatte jedoch nicht die Absicht zu fragen. Er war wütend genug, um sich nicht dafür zu interessieren.
»Ich würde gern mit anderen Frauen sprechen.« Er nahm noch einen Schluck von dem bitteren Tee. Das Aroma war widerlich, aber das Getränk hatte trotzdem eine belebende Wirkung.
»Wozu soll das gut sein?« Vida war mißtrauisch.
»Es gibt immer wieder zeitliche Lücken, in denen meines Wissens nach niemand angegriffen wurde. Stimmt das?«
Sie dachte eine Weile nach, bevor sie antwortete.
»Nun?«
»Nein, es stimmt nicht. Sie könnten es mal bei Bella Green versuchen. Ich wollte sie nicht in die Sache reinziehen, aber wenn’s sein muß, tue ich es.«
»Warum wollten Sie sie nicht mit hineinziehen?«
»Meine Güte! Warum, zum Teufel, interessiert Sie das? Weil ihr Mann ein alter Soldat ist und weil es ihm furchtbar zusetzen würde, wenn er erführe, daß sie verprügelt wurde und er ihr nicht helfen konnte. Und schlimmer noch, daß sie auf diese Weise das Geld verdienen muß, das er nicht nach Hause bringt. Der arme Kerl hat bei der Schlacht von Alma sein Bein verloren. Jetzt taugt er nicht mehr viel. Ist schlimm verletzt worden, der Mann. Und er war nicht mehr derselbe, als er wieder zurückkam.«
Monk ließ sich seine Gefühle nicht anmerken.
»Gibt es noch andere?«
Vida bot ihm eine zweite Tasse Tee an, und er lehnte ab.
»Gibt es noch andere?« wiederholte er.
»Sie könnten es auch bei Maggie Arkwright versuchen. Wahrscheinlich werden Sie ihr kein Wort glauben, aber das heißt nicht, daß sie nicht die Wahrheit sagen würde. Jedenfalls manchmal.«
»Warum sollte sie mich belügen?«
»Weil ihr Alter ein Dieb ist, von Berufs wegen, meine ich. Und Maggie würde einem Bullen aus Prinzip nicht die Wahrheit sagen.« Vida sah ihn mit grimmiger Belustigung an. »Und wenn Sie glauben, Sie könnten ihr was vormachen, sind Sie dümmer, als ich gedacht hätte.«
»Bringen Sie mich zu den beiden.«
»Ich habe weder Zeit noch Geld zu verschwenden. Machen Sie das alles bloß, um Brot in den Bauch zu kriegen und Ihren Stolz zu hätscheln?« Ihre Stimme wurde lauter. »Tun Sie überhaupt irgendwas Nützliches? Oder werden Sie mir in einem Monat erzählen, Sie wären genauso schlau wie am Anfang und wüßten nicht, wer’s war?«
»Ich werde die Schuldigen finden«, sagte Monk ohne einen Hauch von Belustigung oder Verbindlichkeit. »Wenn Sie nicht zahlen wollen, mache ich es auf eigene Rechnung. Die Informationen gehören allerdings mir.« Er sah Vida mit kühler Nachsicht an, damit sie ihn auf keinen Fall mißverstehen konnte.
»Na schön«, sagte sie schließlich, und ihre Stimme war jetzt sehr leise und sehr ruhig.
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