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Stilles Echo

Stilles Echo

Titel: Stilles Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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kennt sich in Seven Dials aus.«
    »Sie wissen nichts über Gewalttaten in Seven Dials? Verbrechen gegen Frauen?«
    Der Straßensänger stieß ein scharfes, höhnisches Lachen aus.
    »Was, Sie meinen andere Sachen als die normalen?«
    »Ja!«
    »Keine Ahnung. Worum geht’s da?«
    »Um Fabrikarbeiterinnen, die vergewaltigt und geprügelt wurden.«
    Das Gesicht des Straßensängers verzog sich vor Abscheu. Evan konnte nicht glauben, daß er nicht bereits von diesen Dingen gewußt hatte.
    An diesem Abend traf er sich mit Monk. Monk hatte im Polizeirevier eine Notiz für ihn hinterlegt, und er war nur allzu froh, eine oder zwei Stunden bei einem guten Essen in einem Gasthaus zu verbringen und ein wenig zu plaudern.
    Monk war schlechter Laune. Mit seinem Fall stand es nicht zum besten, aber er zeigte Hilfsbereitschaft für Evan.
    »Sie glauben, es könnte die Witwe gewesen sein?« fragte er, und sein Blick war offen und neugierig. Der Hauch eines Lächelns auf seinen Lippen brachte sein Verständnis dafür zum Ausdruck, daß es Evan widerstrebte, etwas Derartiges anzunehmen. Monk kannte Evan nur allzu gut, und trotz seiner Zuneigung für ihn konnte er nicht umhin, dessen Glauben an den guten Kern des Menschen mit Belustigung und einer Spur Verachtung zu betrachten.
    »Ich denke, es war wahrscheinlich genau das, wonach es aussah«, erwiderte Evan düster. »Rhys war ein junger Mann, den seine Mutter verwöhnt hatte und in den sein Vater große Hoffnungen setzte. Hoffnungen, denen er vielleicht nicht gerecht werden konnte oder wollte. Er ließ einem egoistischen und möglicherweise grausamen Zug in seinem Wesen freien Lauf. Sein Vater folgte ihm, um ihn aufzuhalten, vielleicht, um ihn vor den Gefahren seines Tuns zu warnen. Irgendwie sind sie in einen Streit mit anderen verstrickt worden. Der Vater ist gestorben. Der Sohn hat ernste Verletzungen davongetragen und ist so entsetzt über das, was er erlebt hat, daß er nicht einmal mehr sprechen kann.«
    Monk versenkte sein Messer in der dicken Fettkruste seiner Nierenpastete.
    »Die Frage ist«, sagte er mit vollem Mund, »wurden die beiden von Leuten aus St. Giles angegriffen, oder hat Rhys seinen Vater im Streit selbst getötet?«
    »Oder hatte Sylvestra Duff einen Liebhaber, und entweder der Mann hat die Sache selbst in die Hand genommen oder einen anderen damit beauftragt?« fragte Evan.
    »Wer soll das sein? Samson?« Monk zog die Augenbrauen hoch.
    »Was?«
    »Er hat es mit zwei Männern gleichzeitig aufgenommen, den einen getötet, den anderen besinnungslos liegengelassen und ist dann davongegangen?« erklärte Monk.
    »Dann muß es mehr als einen gegeben haben«, wandte Evan ein. »Er hat jemanden für die Sache angeheuert, zwei Leute, und es war Zufall, daß Rhys sich dort aufhielt. Der Mörder ist Leighton Duff gefolgt und hat ihn gerade in dem Augenblick eingeholt, als der Rhys gefunden hatte.«
    »Oder aber Rhys steckte mit seiner Mutter unter einer Decke.« Monk schluckte und führte sein Bierglas an die Lippen.
    »Haben Sie irgendeine Möglichkeit, der Sache nachzugehen?«. Er ignorierte Evans unübersehbaren Widerwillen.
    »Hester ist dort. Sie pflegt Rhys«, antwortete Evan. Er sah ein Zucken in Monks Gesicht, eine flüchtige Regung nur. Evan ahnte, was Monk für Hester empfand, auch wenn er die Gründe für die Vielschichtigkeit seiner Gefühle nicht verstand. Aber er hatte gesehen, wieviel Vertrauen zwischen diesen beiden Menschen bestand. Hester hatte für Monk gekämpft, als kein anderer es tun wollte. Und sie hatte sich mit ihm gestritten, wenn es, zumindest Evans Meinung nach, überhaupt keinen Sinn gehabt hatte. Aber Evan wußte auch, daß die dunklen Winkel in Monks Herzen ihn daran hinderten, sich einem anderen Menschen anzuschließen, wie Evan es getan hätte. Ängste und verschwommene Erinnerungen an Dinge, die er nicht mehr greifen konnte, machten ihm etwas Derartiges unmöglich. Evan wußte jedoch nicht, ob Monk aus Angst um Hester so handelte, ob er ihr Schmerz ersparen wollte oder ob er lediglich aus Angst für sich selbst handelte. Fürchtete er vielleicht, zu verletzlich zu sein, wenn er ihr gestattete, ihn wirklich kennenzulernen?
    Nichts in Monks Benehmen verriet Evan, wie die Antwort auf diese Fragen lauten mußte. Wahrscheinlich wußte auch Hester es nicht.
    Monk hatte inzwischen einen Gutteil seiner Mahlzeit verzehrt.
    »Sie wird Ihnen nichts sagen«, erklärte er, ohne den Blick von seinem Teller zu heben.
    »Das weiß ich«, erwiderte

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