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Stilles Echo

Stilles Echo

Titel: Stilles Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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von einem weiteren Opfer erzählte, einem Opfer, von dem auch Vida bisher nichts gewußt hatte. Maggie erklärte ihm, wo er die Frau finden könne, aber nicht mehr heute, sondern erst morgen. Heute würde sie betrunken sein und ohne jeden Nutzen für ihn. Sie lachte, als sie das sagte, ein Lachen, in dem spöttische Belustigung mitschwang, aber kaum Unfreundlichkeit.
    Als Monk die Frau fand, verkaufte sie an ihrem Stand alle möglichen Haushaltswaren, Töpfe, Schüsseln, Eimer, Zierstücke, Kerzenstöcke und einzelne Krüge oder Wasserbehälter. Einige der Dinge besaßen einen bescheidenen Wert. Sie war nicht mehr jung, vielleicht Ende Dreißig oder Anfang Vierzig, das ließ sich schwer sagen.
    Die Frau betrachtete Monk als möglichen Kunden mit mildem Interesse, da sie zu jenen gehörte, die nie die Hoffnung aufgaben. Das Interesse zu verlieren bedeutete, Geld zu verlieren, und Geld zu verlieren bedeutete den Tod.
    »Sind Sie Sarah Blaine?« fragte er, obwohl sie in allen Einzelheiten Maggies Beschreibung entsprach und sich am angegebenen Ort befand. Es wäre ungewöhnlich gewesen, daß eine Frau ihres Berufsstandes einer anderen ihren Platz überließ, und sei es nur für einen Tag.
    »Wer will das wissen?« erkundigte sie sich vorsichtig. Dann weiteten ihre Augen sich und füllten sich mit unverkennbarem Abscheu, einer tiefen und bitteren Erinnerung. Sie sog den Atem ein und stieß ihn zischend wieder aus. »Gott! Ich hatte gehofft, ich würde Sie nie wiedersehen, Sie Bastard! Dachte, Sie wären tot! Habe ich so gehört, sechsundfünfzig. Ich bin damals los und habe das ganze ›Grinning Rat‹ auf einen Drink freigehalten. Wir haben getanzt und gesungen, jawohl! Wir haben auf Ihrem Grab getanzt, Monk, nur leider lagen Sie nicht drin! Was ist los? Wollte der Teufel Sie nicht haben? Sogar der wollte Sie nicht in seiner Nähe haben, was?«
    Monk war wie vor den Kopf geschlagen. Sie kannte ihn! Das ließ sich unmöglich leugnen. Und warum auch nicht? Er hatte sich nicht verändert. Er hatte immer noch denselben mageren Körper, dieselben harten, ruhigen Augen, die hohen, glatten Gesichtsknochen, dieselbe schöne, präzise Stimme.
    Er hatte keine Ahnung, wer sie war oder in welcher Beziehung sie einmal gestanden hatten. Das einzige, was er wußte, war das Offensichtliche, daß sie ihn haßte. Und ihr Haß galt nicht nur der Tatsache, daß er zur Polizei gehörte, sondern hatte auch einen persönlichen Grund.
    »Ich bin verletzt worden«, antwortete er wahrheitsgemäß.
    »Nicht getötet.«
    »Ach nein? Was ‘ne Schande«, sagte sie lakonisch. »Aber was soll’s, beim nächsten Mal haben wir mehr Glück!« Das Leuchten in ihren Augen und die verächtlich geschürzten Lippen ließen keinen Zweifel an der Bedeutung ihrer Worte.
    »Na schön, nichts von dem Zeug ist heiß, also verschwinden Sie! Hier gibt’s nichts für Sie zu tun. Und wenn Sie was über jemand wissen wollen, werden Sie von mir nichts erfahren.«
    Monk erwog die Frage, ob er ihr erzählen sollte, daß er nicht mehr zur Polizei gehörte, oder ob es nützlich sein konnte, sie in diesem Glauben zu lassen. Der Status eines Polizisten verlieh ihm Macht, eine gewisse Autorität, deren Verlust ihn immer noch schmerzte.
    »Die einzigen Leute, über die ich etwas wissen möchte, sind die Männer, die Sie vor einigen Wochen in der Steven’s Alley vergewaltigt und geschlagen haben.«
    Er beobachtete ihr Gesicht und quittierte mit einer gewissen Genugtuung die absolute Verblüffung in ihren Zügen, die für einen Augenblick lang alle anderen Gefühle wegwischten.
    »Keine Ahnung, wovon Sie reden!« sagte sie schließlich. Sie hatte die Zähne zusammengebissen, ihr Blick war leer und dennoch von Haß erfüllt. »Mich hat nie einer vergewaltigt! Sie haben sich schon wieder geirrt! Wie verdammt sicher Sie Ihrer Sache doch sind! Mit Ihren schnieken Kleidern hierherzukommen, als wären Sie Lord Muck persönlich, sich wichtig zu machen und dabei von nix ‘ne Ahnung zu haben!«
    Monk wußte, daß sie log. Es war nichts, das er in Worte hätte fassen können, keine Frage des Verstandes, sondern des Instinkts. Ungläubigkeit und Verachtung schlugen ihm entgegen.
    »Ich habe Sie überschätzt«, sagte er vernichtend. »Ich dachte, Sie würden fest zu Ihresgleichen stehen.« Diese Art von Verläßlichkeit war die einzige Eigenschaft, die ihr mit Sicherheit etwas bedeutete.
    Er hatte recht. Sie zuckte zusammen, als hätte er sie geschlagen.
    »Sie sind nicht meinesgleichen,

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