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Stilles Echo

Stilles Echo

Titel: Stilles Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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was bereits geschehen ist.«
    Ein Mann am Nebentisch drehte sich zu ihnen um.
    »Seien Sie nicht so herablassend!« fauchte sie. »Das alles weiß ich sehr gut! Ist es Ihnen nicht mehr wichtig, die Wahrheit herauszufinden? Sind Sie so versessen darauf, irgend jemanden zu Vida Hopgood zu schleppen und zu beweisen, daß Sie dazu imstande sind, jeden Beliebigen zu verdächtigen, ob zu Recht oder zu Unrecht?«
    Monk war gekränkt. Es war ein Gefühl, als hätte Hester plötzlich nach ihm getreten. Doch Monk war fest entschlossen, es Hester nicht merken zu lassen.
    »Ich werde die Wahrheit aufdecken, sei sie nun bequem oder unbequem«, sagte er kalt. »Wenn es jemand ist, den wir alle mit Freuden verabscheuen können, jemand, dessen Bestrafung uns glücklich macht, um so besser.« Er senkte die Stimme, doch die Heftigkeit, mit der er sprach, wuchs. »Aber wenn es jemand ist, den wir mögen und mit dem wir Mitleid haben, und wenn seine Strafe uns mit ihm in Stücke reißen wird, auch dann werde ich nicht in die andere Richtung sehen und so tun, als sei nichts passiert. Wenn Sie glauben, die Welt sei zweigeteilt, in jene, die gut sind, und jene, die schlecht sind, dann sind Sie schlimmer als eine Närrin. Dann sind Sie eine moralische Schwachsinnige, die sich weigert, erwachsen zu werden.«
    Sie stand auf.
    »Wären Sie bitte so freundlich, mir einen Hansom zu rufen, damit ich in die Ebury Street zurückkehren kann? Wenn nicht, denke ich, daß ich selbst eine Droschke finden werde.«
    Monk erhob sich ebenfalls und verneigte sich sarkastisch, als ihm einfiel, zu welchem Zweck sie eigentlich hergekommen waren. »Es freut mich, daß es Ihnen geschmeckt hat«, erwiderte er schneidend. »Es war mir ein Vergnügen.«
    Sie errötete vor Ärger, aber er sah einen Anflug von Dank in ihren Augen aufblitzen.
    Schweigend traten sie hinaus in den dichten Nebel auf der Straße. Es war bitterkalt, und die eisige Luft schmerzte in Hals und Nase. Der Verkehr kam nur im Schrittempo voran, und Monk brauchte einige Minuten, um einen Hansom zu finden. Den ganzen Weg zurück in die Ebury Street saßen sie in steifem Schweigen Seite an Seite. Hunderte von Dingen gingen ihm durch den Sinn, aber nichts davon war er mit ihr zu teilen bereit, jedenfalls nicht jetzt.
    Sie verabschiedeten sich mit einem einfachen »Gute Nacht«, und er fuhr frierend, wütend und allein in die Fitzroy Street weiter.
    Am Morgen kehrte er noch einmal nach Seven Dials zurück, um nach Zeugen zu suchen, die vielleicht irgend etwas im Zusammenhang mit den Überfällen gesehen hatten. Vor allem ging es ihm um Leute, die regelmäßig von anderen Stadtteilen dorthin kamen. Die Droschkenfahrer hatte er bereits alle gefragt, nun versuchte er es bei Straßenhändlern, Bettlern und Vagabunden. In den Taschen hatte er soviel Kleingeld, wie er entbehren konnte. Die Aussicht auf eine kleine Belohnung löste den Leuten oft die Zunge. Es war sein eigenes Geld, nicht das von Vida.
    Die ersten drei, die er ansprach, wußten nichts. Der vierte verkaufte Fleischpasteten, heiß und köstlich duftend, wahrscheinlich aber überwiegend aus Innereien und anderen Abfällen hergestellt. Monk kaufte eine Pastete und bezahlte einen überhöhten Preis dafür, ohne jedoch die Absicht zu haben, sie auch zu essen. Er hielt sie in der Hand, während er mit dem Mann redete.
    »Haben Sie zufällig irgendwas von zwei oder drei Fremden gehört, die nachts hier herumstreichen?« erkundigte er sich beiläufig. »Gentlemen aus dem Westen der Stadt?«
    »Ja«, erwiderte der Händler ohne Überraschung. »Sie haben einige unserer Frauen halbtot geschlagen, diese armen Weiber. Warum fragen Sie danach? Das geht die Bullen nichts an.« Er sah Monk mit ruhiger Abneigung an. »Sie suchen sie noch wegen was anderem, oder?«
    »Nein, ich suche sie genau deswegen. Reicht Ihnen das nicht?«
    Der Mann machte keinen Hehl aus seiner Verachtung. »Ach ja? Und Sie werden sie dafür in den Bau schicken, wie? Erzählen Sie mir keinen Dreck. Seit wann gibt Ihresgleichen auch nur einen roten Heller darauf, was mit solchen wie uns passiert? Ich kenne Sie, Sie sind schlecht und ein Bastard obendrein. Sie scheren sich doch nicht einmal um Ihresgleichen, ganz zu schweigen von uns armen Teufeln.«
    Monk sah dem Mann in die Augen und konnte das Wiedererkennen, das darin aufleuchtete, nicht leugnen. Der Mann sprach nicht von der Polizei im allgemeinen, sondern meinte Monk ganz persönlich. Sollte er nachfragen, nach irgendeiner

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