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Stimme aus der Unterwelt

Stimme aus der Unterwelt

Titel: Stimme aus der Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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unter Rüdigers
Sohlen.
    Er tappte los wie ein Maulwurf, einen
Weg entlang, vorbei an einer Gnadenkapelle. Er blieb auf dem Kies. Vielleicht
war irgendwo ein Grab ausgehoben. Das könnte zur Falle werden. Er wollte es
nicht entweihen, in dem er hineinfiel wie ein Betrunkener.
    Als der Weg endete — nach mindestens
hundert Schritten — , sah Rüdiger einen mannshohen Grabstein neben sich. Davor
lag eine Grabplatte — breit wie ein Doppelbett, ein französisches.
    Er bückte sich und befühlte den Granit.
Oder war’s Marmor? Egal. Die Grabplatte hatte Tageshitze gespeichert, war jetzt
angenehm lau und kein bißchen feucht.
    Rüdiger rollte sein Jackett als
Kopfkissen zusammen und streckte sich aus.
    Er hatte schon weicher gelegen, war
aber so geschlaucht, daß er augenblicklich einschlief.

11. Der eiskalte Schatz
     
    Tim legte das Küchenhandtuch weg und
ging ins Wohnzimmer, wo Dr. Holmann — von den Jungs jetzt Sigi genannt — immer
noch Zeitung las: die ,Bad-Fäßliftl-Nachrichten’ von heute. Die weltpolitische
Lage gefiel ihm nicht. Grimmig starrte er auf die erste Seite, wo Krieg und
Gewalt die Themen waren.
    „Sie sind vor 16 Minuten abgefahren“,
sagte Tim. „Ich denke, es sind nur zwei Kilometer bis zu Pauline.“
    „Ach, der Anruf.“ Sigi blickte nicht
auf. „Haben sie wahrscheinlich vergessen. Pauline ärgert mich gern.“
    Da bin ich anderer Meinung, dachte Tim.
Aber er fragte: „Wirklich?“
    „Klar. Und weißt du, weshalb? Weil ich
ihr noch keinen Heiratsantrag gemacht habe. Hahahah! Sie wartet darauf. Aber
ich habe mir vorgenommen: Nicht bevor ich 80 bin. Dann ist immer noch Zeit.“
    Klößchen kam aus der Küche und hatte
den Mund leergekaut.
    „Als deine Ehefrau, Oheim Sigi, wäre
sie dann erbberechtigt. Gönne ich ihr. Aber weshalb willst du mich dann
kennenlernen?“
    „Keine Sorge, Willi. Pauline ist so
reich — sie braucht meine Kröten nicht. Auch wenn ich sie in reifen Jahren
ehelichen sollte — meine Erbin wird sie nicht.“
    „Ich möchte bei Pauline anrufen“, sagte
Tim. „Wie ist die Nummer?“
    Holmann runzelte die Stirn.
    „Selbstverständlich bezahle ich das
Gespräch“, meinte Tim.
    Er wurde ungeduldig und machte sich
Sorgen. Daß der verabredete Anruf nicht kam, mußte einen Grund haben. Was war
passiert?
    „Nein, nein“, knurrte Holmann. „Ist ja
nur ein Ortsgespräch. Aber ich denke, es besteht noch kein Grund, die Damen
aufzuscheuchen.“
    „Sigi, wie lange braucht Paulines
Chaussee-Wanze für die zwei Kilometer? Na, also! Meine Freundin ist
zuverlässig. Sie vergißt keinen Anruf. Deshalb will ich Bescheid wissen. Inzwischen
sind’s 18 Minuten.“
    Er kniete sich auf die Bank, griff
hinter den Arzt und nahm das Telefon aus der Fensternische.
    Holmann diktierte die Rufnummer. Tim
hörte auf das Freizeichen. Niemand nahm ab. Er probierte es ein zweites Mal — mit
demselben Mißerfolg, legte auf und rutschte von der Sitzbank.
    „Haben Sie eine Taschenlampe, Sigi? Ich
renne mal rüber.“
    Der Arzt schaute verblüfft. „Du bist
aber wirklich sehr besorgt. Na, wenn du’s für richtig hältst. Einen meiner
Wagen möchte ich jetzt nicht anlassen. Sie vertragen die Nachtluft nicht,
selbst wenn die lau ist wie heute. Da merkt man eben doch die betagten Motoren.
Aber sie sollen noch halten bis zum Jahr 2000.“
    „Eine Taschenlampe!“
    „Liegt in der Diele.“
    Auch Karl war aus der Küche gekommen
und fragte, ob er mitlaufen solle.
    „Mir ist lieber, ihr bleibt hier“,
erwiderte Tim. „Ich bolze Tempo.“
    „Du kannst mein Fahrrad nehmen“, bot
Oheim Sigi an. „Ich habe es allerdings seit Jahren nicht benutzt. Es ist
Baujahr 1944. Ohne Lampe. Die Luftpumpe muß auch irgendwo sein.“
    Tim lehnte ab.
    Holmann hatte offensichtlich eine
Vorliebe für vorsintflutliche Fahrzeuge. Aber Tim bezweifelte den praktischen
Nutzen.
    Die Taschenlampe, die auf der Garderobe
lag, war eine neuzeitliche Produktion. Leider reichte ihr Lichtkegel nur eine
Armlänge weit.
    Tim trug Turnschuhe; Jeans und T-Shirt
behinderten nicht. Einen Moment verharrte er draußen, um die Augen an die
Dunkelheit zu gewöhnen. Dann rannte er los. Bei der Straßengabelung schwenkte
er auf die rechte Seite. Die Teerdecke hob sich von den Wiesen deutlich ab. Er
konnte beschleunigen und brauchte die Lampe nicht einzuschalten. Freilich sah
er die Schlaglöcher nicht. Zweimal, als er falsch auftrat, schoß Schmerz durch
die Fußgelenke.
    Ab und zu klatschte dem TKKG-Häuptling
ein Insekt ins

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