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Stimme aus der Unterwelt

Stimme aus der Unterwelt

Titel: Stimme aus der Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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einiges.“
    Alle blickten Tim an.
    Klößchen war der einzige, der jetzt
noch aß. Er hatte was nachzuholen.
    „Was meinst du?“ fragte Sigi.
    „Wer wirklich morden will, ruft nicht
vorher an. Weil er damit seine Chancen verringert. Es sei denn, er ist blöd;
oder er will sein Opfer quälen, damit es sich in Todesangst windet. Der Anrufer
sagte: Quacksalber. Es könnte also einen Bezug auf Ihren Beruf haben, Sigi.
Sind Sie schon mal bedroht worden — von ehemaligen Patienten?“
    „Nie. Das heißt, höchstens sieben- oder
achtmal in all den Jahrzehnten. Aber nie wegen meiner Methoden, sondern weil
diesen undankbaren Menschen — es handelte sich immer um Privatpatienten — meine
Rechnung zu hoch war. Ihr hättet sie mal hören sollen, als sie noch krank
waren. Ihr Vermögen hätten Sie mir gegeben. Kaum schmerzfrei und wieder gesund,
wollten sie davon nichts mehr wissen und haben mich beschimpft — wegen der
Rechnung.“
    „Wann haben Sie Ihre Praxis aufgegeben?“
fragte Karl.
    „Vor fünf Jahren. Das heißt, die Praxis
wird weitergeführt. Ich hab’ sie verpachtet.“
    An seinen zweiten, beziehungsweise
ersten Neffen Dr. Andreas Holmann, dachte Tim. Das wissen wir von Susi. Auch
mit dem Andreas ist er verkracht. Und die Susi kann er nicht leiden. Weiß Gott,
ein schwieriger Mensch. Pauline scheint die einzige zu sein, die mit ihm
umgehen kann. Weil sie sich nichts bieten läßt. Sigi hat vielleicht mehr
Feinde, als er ahnt. Aber weshalb läßt dieser wurstbrotessende
Mittelscheitel-Typ so brutal die Sau raus? Falls er der Anrufer ist.
    Tim überlegte, ob er das Thema ,Neffe
Andreas’ auf den Tisch heben sollte, verzichtete aber. Hier ging’s um was
anderes.
    „Denken Sie mal nach, Sigi! Wer will
ihnen übel? Wann und mit wem hatten Sie zum letzten Mal Zoff?“
    „Was?“
    „Streit. Zoff ist nur ein anderes Wort
dafür. Wie Oheim statt Onkel.“
    Der Arzt dachte nach. „Mir fällt
niemand ein. Dir, Pauline?“
    Sie verneinte.
    Als sei eine Erklärung nötig, fügte sie
hinzu: „Wir leben ziemlich zurückgezogen — in den letzten Jahren. Marcel
Mair-Chateaufort, Sigi und ich — wir sind eine kleine, aber abgeschirmte
Gemeinschaft.“
    Tim dachte nach. Er beschloß, den
Mittelscheitel-Typ nicht zu erwähnen. Jedenfalls nicht, solange Sigi zuhörte.
Der war zu verbiestert. Statt den Anrufer in eine Falle zu locken, würde er
alles vermurksen. Außerdem war sich Tim — was den Verdächtigen betraf — nicht
ganz sicher.
    Das Abendessen wurde fortgesetzt.
    Klößchen mußte aus der Familienchronik
erzählen.
    Pauline begann, verstohlen zu gähnen.
    „Wenn es dir recht ist, Gaby“, meinte
sie, „fahren wir jetzt. Wir müssen dein Bett noch beziehen. Und ich will dir
mein Haus zeigen. Du und deine Reisetasche — ihr paßt gerade noch in meinen
Straßenkreuzer.“
    „Damit meinen Sie sicherlich das
Zwergenauto draußen“, sagte Klößchen.
    „Den benutze ich nur hier“, nickte die
Industriellen-Witwe. „Wenn wir weite Touren machen oder gar verreisen, holt
Sigi einen seiner Oldtimer aus dem Stall. Sie fressen das Gnadenbrot bei ihm,
diese Stinktiere. Damit meine ich, daß sie keinen Katalysator haben, der die
Schadstoffe zurückhält. Ehrlich, Sigi, deine Autos sind Umweltvernichter.“
    Klößchens Oheim knurte
Unverständliches. Offenbar fühlte er sich getroffen. Immerhin versprach er, den
Jungs morgen die Wagen zu zeigen.

    Pauline und Gaby verabschiedeten sich.
    „Vorsichtshalber“, sagte Tim, „ruft
bitte hier an, wenn ihr heil und gesund zu Hause angekommen seid. Ja? Die Nacht
ist dunkel. Ein Kerl, der Haß hegt, hat Drohungen ausgestoßen. Und man kann Ihr
Autochen leicht an der Stoßstange festhalten, Pauline. Kurzer Anruf also in
zehn Minuten! Darauf bestehe ich.“
    Pauline lächelte. Zu Gaby sagte sie: „Daß
er sich um mich solche Sorgen macht, bezweifle ich. Aber dich liebt er wohl
sehr.“
    Gaby wurde rot und pustete gegen ihren
Goldpony. „Von meinem Freund erwarte ich, daß er sich um mich kümmert. Ich tu’s
ja auch — auf anderen Gebieten.“
    Die Jungs begleiteten beide hinaus und
sahen zu, wie sie sich in den Kleinwagen zwängten. Der Motor begann zu
schnurren, und die Scheinwerferstrahlen schnitten einen Kegel aus der
mondlosen, jetzt stockfinsteren Nacht.
    Der Duft von Wiesenblumen war
betäubend.
    Tim sah dem Wagen nach. Hinter den
ehemaligen Stallungen gabelte sich die holprige Privatstraße. Rechts führte sie
in südliche Richtung — zu Paulines Anwesen, das

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