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Stimme aus der Unterwelt

Stimme aus der Unterwelt

Titel: Stimme aus der Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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wuchtigem Fernsehsessel
wirkte er irgendwie schmächtig. Nichts in dem glatten — nein, etwas
bartstoppeligen — Dutzendgesicht verriet die Rohheit, die Brutalität. Er
lächelte sogar.
    Susis Knie gaben nach. Sie konnte nicht
mehr stehen, setzte sich auf den Boden und stützte eine Hand auf. Das hübsche
Gesicht unter den fuchsroten Locken war kalkweiß.
    Jetzt, dachte Susi, bringt er mich um.
Er beseitigt die einzige Zeugin. Hätte ich doch wenigstens meinen Namen
weggelassen! Zu spät! Ich bin dem Verbrecher ausgeliefert.
    „Tut mir leid, daß ich Sie erschrecken
muß“, sagte Rüdiger. „Aber ich habe keine Wahl.“

    „Wie bitte?“ Susis Stimme klirrte wie
brechendes Glas.
    „Ihre Adresse ist leicht zu finden,
Frau Welmhoff. Sie stehen im Telefonbuch.“
    „Bernd kommt gleich“, sagte sie.
    „Was?“
    „Mein... mein...“, sie begann zu
zittern, „mein Lebensgefährte Bernd Saifenrieder. Er... er... ist nur mal
schnell weggefahren. Äh, Semmeln holen.“
    Grinsend schüttelte Rüdiger den Kopf. „Hier
ist niemand weggefahren. Ich bin schon eine ganze Weile im Haus und habe in
alle Zimmer geguckt. Auch in Ihres. Sie schliefen so schön. Da wollte ich Sie
nicht wecken. Ich habe auch nichts beschädigt, als ich eingedrungen bin.“
    Er stand auf und kam zu ihr.
    Susis Zähne begannen zu klappern.
    „Wollen Sie dort sitzenbleiben?“ fragte
er und streckte ihr eine Hand hin.
    Susi wußte nicht, wie ihr geschah, als
er sie hochzog. Klar, der wollte sie nicht hier töten, sondern — im Keller,
vielleicht? Oder in der Küche? O Gott, warum ich? dachte Susi!
    Er ließ sie los, schlenderte ins
Terrassenzimmer zurück und dort auf und ab.
    Susi folgte ihm ein paar Schritte, wie
unter Zwang.
    Das Zimmer lag nach Süden, hatte große
Fenster und eine breite Glastür. Gartenmöbel standen auf der Terrasse, in
Keramik-Kübeln wuchsen Kakteen.
    Rüdiger stellte sich neben den großen
Sessel, lächelte und täuschte eine Gelassenheit vor, über die er gar nicht
verfügte.
    „Ich mußte herkommen, Frau Welmhoff.
Damit ich Ihnen beweisen kann, daß ich nicht der brutale Gewalttäter bin, für
den Sie mich halten.“
    Er zog die gefaltete Tageszeitung aus
der äußeren Jackettasche und legte sie auf den Tisch. Die
,Bad-Fäßliftl-Nachrichten’ waren so aufgeschlagen, daß die Lokalseite mit der
Phantomzeichnung sich außen befand.
    „Gestern abend“, sagte er, „saß ich im
Kurhotel-Restaurant neben Ihnen und Ihrer Freundin Tanja. Ich war der Mann
hinter der Palme. Unfreiwillig habe ich Ihr Gespräch belauscht. Ich hörte, daß
ich mich heute in der Zeitung wiederfinden würde. Aber Sie tun mir unrecht. Das
ganze ist ein Irrtum. Ich habe den Mair-Chateaufort nicht niedergeschlagen. Ich
weiß zwar — als gelernter Schlosser — wie man in ein Haus eindringen kann, in
Ihres zum Beispiel, aber ich bin der friedlichste und im allgemeinen auch der
ehrlichste Mensch, den Sie sich vorstellen können.“
    „Ach? Ja?“ Susis Stimme kiekste.
    „Das im Alpen-Expreß war so, Frau
Welmhoff. Ich ging etwa eine halbe Minute vor Ihnen an dem Abteil vorbei. Stark
betrunken war ich. Ja, ich gebe es zu. Ich war benebelt wie... wie ein
Novembertag in London. Total blöd im Kopf. Nicht zurechnungsfähig, betäubt. Ich
sah in das Abteil, sah da einen Schlafenden, wie ich glaubte, und dachte
plötzlich: Den beklaust du. Nur so zum Spaß. Ich also rein, leise, leise. Wie
ich ihm die Brieftasche aus der Jacke ziehe, merke ich: Er blutet am
Hinterkopf. Ich erschrecke. Aber nicht sehr, denn Betrunkene erschrecken fast
gar nicht — selbst wenn der Himmel einstürzt. Ich nehme noch die Uhr und die
Ringe. Dann aber raus! Plötzlich kriege ich nämlich Angst. Tja, und da stolpere
ich Ihnen in den Weg.“
    „Sie... haben ihn... nicht...
niedergeschlagen, den Herrn Mair-Chateaufort?“
    „Bestimmt nicht. Wäre ich sonst hier?“
    Susi versuchte aufzuatmen. Aber noch
fühlte sie sich eng in der Brust.
    „Warum erzählen Sie mir das — und nicht
der Polizei?“
    Er lächelte gequält. „Vergessen Sie
nicht: Trotz allem habe ich gestohlen. Ich möchte aber nicht eingelocht werden.
Deshalb vermeide ich den Kontakt mit den Gesetzeshütern. Ihnen, Frau Welmhoff, sage
ich, wie es wirklich war. Und Ihnen übergebe ich auch die Beutestücke. Seit
gestern abend — seit mein Rausch nachließ und ich wieder denken konnte — brennen
sie mir wie Feuer in der Tasche.“
    Er holte eine Brieftasche hervor, eine
goldene Uhr und zwei Ringe. Alles

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