Stimmen der Angst
streckte die Arme nach ihr aus, aber sie schlüpfte an ihm vorbei, rannte aus dem Badezimmer und schlug die Tür hinter sich zu.
Nachdem er ihr ins Schlafzimmer gefolgt war, fand er sie vor seinem geöffneten Wandschrank. Auf der Suche nach irgendetwas schob sie seine Hemden so hastig zur Seite, dass die Kleiderbügel auf der Metallstange klapperten.
Der Krawattenhalter. Die meisten Haken daran waren leer. Er besaß nur vier Krawatten.
Sie zerrte einen einfarbigen schwarzen und einen rot-blau gestreiften Schlips aus dem Schrank und hielt sie Dusty entgegen. »Fessle mich!«
»Was? Nein! Martie, um Himmels willen!«
»Ich meine es ernst.«
»Ich auch. Nein.«
»An den Füßen und an den Händen«, sagte sie unnachgiebig.
»Nein.«
Valet richtete sich auf seinem Lager auf, und seine Brauen zuckten nervös im Takt mit den besorgten Blicken, die zwischen Martie und Dusty hin und her schossen.
»Wenn ich dann in der Nacht völlig durchdrehe«, sagte sie, »wenn ich anfange Amok zu laufen …«
In der Hoffnung, sie mit gutem Beispiel anstecken zu können, bemühte sich Dusty, seiner Stimme einen ruhigen, wenn auch bestimmten Klang zu geben. »Hör bitte auf!«
»… Amok zu laufen, muss ich mich erst von den Fesseln befreien, bevor ich jemandem an die Gurgel gehen kann. Und wenn ich versuche, mich loszubinden, wirst du davon wach werden, sofern du überhaupt eingeschlafen bist.«
»Ich habe keine Angst vor dir.«
Seine gespielte Ruhe verfehlte ihre Wirkung. Ihre Worte sprudelten jetzt in einem fieberhaften Sturzbach hervor. »Na schön, vielleicht hast du keine Angst, auch wenn das ein Fehler ist, du vielleicht nicht, aber ich . Ich habe Angst vor mir, Dusty, ich habe Angst vor dem, was ich dir oder sonst jemandem antun könnte, wenn ich einen Anfall habe, wenn ich durchdrehe, Angst vor dem, was ich mir selbst antun könnte. Ich weiß nicht, was hier passiert, was mit mir los ist. Der Exorzist ist nichts dagegen, auch wenn ich nicht in der Luft schwebe und mein Kopf sich nicht wie ein Kreisel dreht. Wenn ich in diesem verrückten Zustand bin und im falschen Moment ein Messer in die Hand kriege oder deine Pistole, tue ich mir damit etwas an, das weiß ich genau, glaub mir. Ich spüre sie hier in mir, diese perverse Lust« – sie schlug sich mit der Faust auf den Bauch –, »diesen Teufel, dieses Gewürm, das in mir schlängelt und mir von Messern, Pistolen, Hämmern flüstert.«
Dusty schüttelte den Kopf.
Martie setzte sich aufs Bett und begann damit, sich eine der Krawatten um die Fußgelenke zu binden, aber gleich darauf hob sie entmutigt den Kopf. »Verdammt, ich kenne mich mit Knoten nicht so aus wie du. Du musst mir dabei helfen.«
»Normalerweise reicht eine von den Tabletten. Du hast drei genommen. Du brauchst keine Fesseln.«
»Ich verlasse mich nicht nur auf die Wirkung von Pillen, auf keinen Fall. Entweder du hilfst mir, oder ich kotze die Pillen aus, ich stecke mir den Finger in den Hals und kotze sie auf der Stelle wieder aus.«
Mit Argumenten war ihr nicht beizukommen. Sie war jetzt von ihrer Angst so aufgeputscht wie Skeet auf dem Dach der Sorensons von seinem morgendlichen Drogencocktail, und allem Anschein nach keinen Deut vernünftiger als der Junge.
Schweißüberströmt und zitternd saß sie mit ihrem nutzlosen Krawattenhäufchen da und fing an zu weinen. »Bitte, Liebling, bitte. Bitte, hilf mir. Ich muss schlafen, ich bin so müde, ich muss mich ausruhen, sonst gehe ich vor die Hunde. Ich brauche Frieden , und den bekomme ich nur, wenn du mir hilfst. Hilf mir, bitte.«
Was der Zorn nicht erreichte, konnten Tränen bei ihm bewirken.
Als er ans Bett trat, ließ sie sich zurücksinken und schlug die Hände vors Gesicht, als würde sie sich der Hilflosigkeit schämen, in welche die Angst sie gestürzt hatte.
Mit bebenden Händen knotete ihr Dusty die Fessel um die Fußgelenke.
»Fester!«, sagte sie hinter der Maske ihrer Hände.
Obwohl er ihr den Gefallen tat, band er die Knoten nicht so fest, wie sie es gern gesehen hätte. Der Gedanke, ihr wehzutun, und sei es ohne Absicht, war ihm unerträglich.
Sie streckte ihm die gefalteten Hände entgegen.
Mit der schwarzen Krawatte band Dusty ihr die Handgelenke so fest zusammen, dass die Fessel bis zum Morgen sicher halten würde, war aber sorgsam darauf bedacht, ihr das Blut nicht abzuschnüren.
Während er mit ihren Fesseln beschäftigt war, lag sie mit geschlossenen Augen und abgewandtem Gesicht da, vielleicht aus Scham über das
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