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Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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gehört?«
    »Nein.«
    »Klare Kaskaden.«
    »Hä?«
    »Zersprühen in den Wellen.«
    Martie schlug die Augen auf. Sie sahen verträumt aus und wirkten von den Schatten des Schlafs, die sich allmählich darübersenkten, dunkler als sonst. »Entweder redest du Unsinn, oder das Zeug beginnt zu wirken.«
    »Kiefernnadeln blau«, beendete er die Litanei, obwohl er nicht mehr annahm, dass sie eine ähnliche Wirkung auf Martie hatte wie auf Skeet.
    »Hübsch«, murmelte sie noch, dann fielen ihr die Augen wieder zu.
    Valet war nicht auf sein Lammfelllager zurückgekehrt, sondern hatte sich neben dem Bett auf den blanken Fußboden gelegt. Er schlief nicht. Von Zeit zu Zeit hob er den Kopf, um zu seinem schlafenden Frauchen hochzublicken oder die Schatten in den Winkeln des Zimmers zu erforschen. Dabei spitzte er die Hängeohren so weit es nur ging, als lauschte er auf die leisesten verdächtigen Geräusche. Mit zuckender schwarzer Nase erschnüffelte er die verschiedenen Gerüche, die sich in der Luft vermischten, und stieß dabei ein leises Knurren aus. Der sanftmütige Valet war offensichtlich bemüht, sich in einen Wachhund zu verwandeln, obwohl ihm das Wesen der Gefahr, um derentwillen er hier Wache hielt, ein Rätsel zu sein schien.
    Während Dusty die schlafende Martie betrachtete, in deren immer noch aschfahlem Gesicht der Mund sich wie ein violetter Bluterguss unnatürlich dunkel hervorhob, wuchs in ihm plötzlich die Überzeugung, dass nicht etwa eine unheilbare geistige Verwirrung die größte Gefahr war, die seiner Frau drohte, wie er bis zu diesem Moment angenommen hatte. Sein Gefühl sagte ihm vielmehr, dass statt des Wahnsinns der Tod auf sie lauerte und dass sie schon mit einem Bein im Grab stand.
    Eine fast hellseherische Ahnung flüsterte ihm ein, dass der Handlanger des Todes bereits hier im Zimmer war. Mit einer Gänsehaut im Nacken erhob er sich langsam von der Bettkante und blickte entsetzt in die Höhe, als erwartete er, dass unter der Decke ein Gespenst schwebte: eine dunkle Erscheinung in schwarzem, fließendem Gewand, eine gesichtslose, verhüllte Gestalt, ein grinsender Totenkopf.
    Obwohl dort oben nichts als der glatte Putz zu sehen war, gab Valet wieder ein leises, langgezogenes Knurren von sich. Er hatte sich ebenfalls erhoben und stand jetzt neben dem Bett.
    Martie regte sich nicht im Schlaf, aber Dustys Blick wanderte alarmiert von der Decke zum Retriever.
    Mit weit geblähten Nasenlöchern sog Valet prüfend die Luft ein, und mit dem tiefen Atemzug sträubten sich die goldenen Nackenhaare des Hundes. Die schwarzen Lippen zurückgezogen, bleckte er drohend seine scharfen Zähne. Der Retriever schien den Geist des Todes, dessen Anwesenheit Dusty nur ahnte, buchstäblich sehen zu können.
    Der wachsame Blick des Hundes war auf Dusty selbst gerichtet.
    »Valet?«
    Trotz Valets dichtem Winterfell konnte Dusty erkennen, dass sich dessen Muskeln in Schultern und Beinen spannten. Valet nahm eine drohende Haltung ein, die Dusty noch nie bei ihm erlebt hatte.
    »Was ist los, Freund? Ich bin’s doch nur. Niemand sonst.«
    Das Knurren wurde leiser. Dann war der Hund still, blieb aber aufs Äußerste gespannt, in Alarmbereitschaft.
    Dusty machte einen Schritt auf ihn zu.
    Wieder ein Knurren.
    »Ich bin’s nur«, wiederholte Dusty.
    Der Hund schien davon nicht überzeugt zu sein.

34. Kapitel
    Als der Arzt endlich mit ihr fertig war, lag Susan Jagger auf dem Rücken und hielt die Schenkel keusch geschlossen, als wären sie nicht eben noch weit gespreizt gewesen, als wollte sie durch ihre Haltung leugnen, was geschehen war. Die Arme hatte sie sittsam über der Brust verschränkt.
    Sie weinte jetzt nicht mehr nur stumm vor sich hin. Um sein Vergnügen zu steigern, hatte Ahriman ihr erlaubt, ihrer Qual und ihrer Scham hörbar Ausdruck zu verleihen.
    Während er sein Hemd zuknöpfte, lauschte er mit geschlossenen Augen den zerrissenen Vogellauten. Ihr sanftes Schluchzen: einsames Taubengurren im Gebälk, vom Wind verwehte Möwenseufzer.
    Anfangs, nachdem er ihr befohlen hatte, hinüber zu ihrem Bett zu gehen, hatte er sie mit Hilfe einer durch Hypnosetechniken bewirkten Rückführung in die Zeit versetzt, als sie zwölf Jahre alt war, unberührt, unschuldig, eine knospende Rose ohne Dornen. Ihre Stimme hatte einen helleren Klang, einen höheren Tonfall angenommen; sie hatte geredet wie ein altkluges Kind. Sogar ihre Stirn hatte sich geglättet, und ihre Lippen waren weicher geworden, als hätte sich das Rad

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