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Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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lähmende Ausmaß ihrer Angst, vielleicht auch aus Verlegenheit über ihre völlig aufgelöste Erscheinung. Vielleicht. Dusty vermutete jedoch, dass sie ihr Gesicht vor allem deshalb vor ihm verbarg, weil sie Tränen mit Schwäche gleichsetzte.
    Die Tochter von Strahlebob Woodhouse – dem gefeierten Kriegshelden, der sich auch in den Jahren nach dem Krieg mehr als einmal durch seine Heldentaten hervorgetan hatte – war immer fest entschlossen gewesen, sich durch Ehrenhaftigkeit und Tapferkeit seines Erbes würdig zu erweisen. Natürlich bot ihr das Leben als junge Ehefrau und Erfinderin von Videospielen in einem friedlichen kalifornischen Küstennest nicht am laufenden Band Gelegenheit, Heldentaten zu begehen. Das war auch gut so und sicher kein Grund, sich nach den Hexenkesseln der Gewalt an den Kriegsschauplätzen in aller Welt zu sehnen oder sich als Prügelkandidat für eine billige Talkshow zu melden. Andererseits bedeutete dieses Leben in Frieden und Überfluss, dass sie das Gedächtnis ihres Vaters nur durch das ganz normale alltägliche Heldentum ehren konnte: indem sie ihre Arbeit gut machte und aufrecht durchs Leben ging, indem sie in guten wie in schlechten Zeiten zu ihrem angetrauten Ehemann hielt, indem sie alles für ihre Freunde tat, indem sie aufrichtiges Mitgefühl für verwundete Seelen wie Skeet empfand und sich dabei genügend Ehrlichkeit, Offenheit und Selbstachtung bewahrte, um nicht selbst so zu werden. Dieses unauffällige Heldentum, das nie durch Preise und Ehrenmärsche gefeiert wird, ist der Treibstoff und das Schmiermittel, ohne die das Räderwerk der menschlichen Gesellschaft nicht surren würde, und obwohl wir in einer Welt leben, in der es leicht ist, sich zur Maßlosigkeit, Selbstsucht und Überheblichkeit verleiten zu lassen, sind diese kleinen Helden viel zahlreicher, als man vermuten würde. Stand man jedoch wie Martie im Schatten wirklich großer Heldentaten, so fühlte man sich vielleicht unzulänglich, wenn man nichts weiter tat, als ein rechtschaffenes und für andere beispielhaftes Leben zu führen. In einem solchen Licht betrachtet, konnten Tränen, selbst in einem Augenblick der höchsten Not vergossen, leicht wie ein Verrat am Erbe des Vaters wirken.
    All das verstand Dusty, aber nichts davon konnte er Martie sagen, nicht in diesem Moment und vielleicht niemals, denn er hätte ihr damit auch gesagt, dass er ihre verwundbarste Stelle kannte und Mitleid mit ihr hatte, und das wiederum hätte sie, weil Mitleid das stets so an sich hat, ein gut Teil ihrer Würde beraubt. Sie wusste, was er wusste, und sie wusste, dass er es wusste; aber es stärkt und vertieft unsere Liebe, wenn wir die Weisheit besitzen, nicht nur das zu sagen, was gesagt werden muss, sondern auch zu erkennen, was keiner Worte bedarf.
    Und so verknotete Dusty die schwarze Krawatte in ernstem, feierlichem Schweigen.
    Als Martie gefesselt war, drehte sie sich – immer noch bemüht, hinter geschlossenen Augen einen Tränensee zurückzuhalten – auf die Seite, und in diesem Augenblick trottete Valet zum Bett, verrenkte sich den Hals und leckte ihr das Gesicht ab.
    Das Schluchzen, das sie bis jetzt mühsam unterdrückt hatte, brach aus ihr heraus, aber es war eigentlich kein richtiges Schluchzen mehr, sondern halbwegs ein Lachen, und im nächsten Moment war es schon mehr Lachen als Weinen. »Mein kleines fellgesichtiges Baby. Du hast wohl gemerkt, dass deine arme Mama einen warmen Kuss bitter nötig hat, was mein Süßer?«
    »Vielleicht liegt es ja auch daran, dass dein Atem noch nach meiner wahrhaft köstlichen Lasagne duftet«, sagte Dusty, in der stillen Hoffnung, das willkommene Feuer dieses lichten Moments mit seinem kleinen Scherz noch ein bisschen am Leben zu halten.
    »Lasagne oder reine Hundeliebe«, sagte Martie. »Mir ist das gleich. Ich weiß, dass mich mein Kleiner liebt.«
    »Genau wie dein Großer«, sagte Dusty.
    Endlich wandte sie ihm das Gesicht zu. »Das ist es, was mich heute aufrecht gehalten hat. Ich brauche alles, was ihr geben könnt.«
    Er setzte sich zu ihr auf die Bettkante und hielt ihre gefesselten Hände.
    Nach einer Weile fielen ihr die vor Müdigkeit und vom Schlafmittel schweren Lider zu.
    Dusty warf einen Blick auf die Uhr, die auf dem Nachttisch stand, was ihm sofort die Sache mit der fehlenden Zeitspanne in Erinnerung rief. »Dr. Yen Lo.«
    »Wer?«, fragte Martie mit schläfriger Stimme, ohne die Augen zu öffnen.
    »Dr. Yen Lo. Hast du schon mal von dem

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