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Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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der Zeit tatsächlich zurückgedreht. Das Grün ihrer Augen hatte keine intensivere Tönung angenommen, aber ihr Blick war klarer geworden, als wäre die harte Lebensrealität von sechzehn vergangenen Jahren herausgefiltert worden.
    Dann hatte er sie in der Maske ihres Vaters entjungfert. Anfangs war es ihr nur gestattet, schwachen Widerstand zu leisten, dann etwas heftigeren, um ihrer Angst und Verwirrung angesichts ihrer wieder entdeckten Jungfräulichkeit gerecht zu werden. Bald schlich sich in die erbitterte Gegenwehr ein bebendes, süßes Verlangen, das sich auf Ahrimans Anweisung hin rasch zu einer animalisch triebhaften Lust steigerte, bis sie anfing, sich hin und her zu werfen und ihm schließlich ihr Becken entgegenhob.
    Bei dem, was nun folgte, lenkte Ahriman mit seinen leise gemurmelten Anweisungen nach Belieben ihre Gemütsverfassung, und immer, immer schwang in ihren erregenden kindlichen Lustschreien ein Hauch von Angst, Scham und Seelenqual mit. Ihre Tränen waren für ihn ein elementarer Balsam, wirkungsvoller als die erotischen Essenzen, die ihr Körper absonderte, um ihm das Eindringen zu erleichtern. Tränen auch noch in höchster Lust.
    Während er sich jetzt fertig ankleidete, betrachtete Ahriman prüfend ihr makelloses Gesicht.
    Mondschein auf Wasser, Augen wie Seen im Regen – dunkler Fisch im Sinn.
    Nein. Miserabel. Er war nicht fähig, ein Haiku zu komponieren, das ihren starr und ausdruckslos zur Decke gerichteten Blick wiedergegeben hätte. Seine dichterische Begabung reichte nicht annähernd an seine Fähigkeit heran, gute Dichtung zu würdigen.
    Der Arzt machte sich keine Illusionen über seine Talente. Obwohl alle verfügbaren Methoden der Intelligenzmessung ihn als wahres Genie auswiesen, war er kein Schöpfer, sondern lediglich ein Spieler. Er hatte das Zeug zum Spieler – auf diesem Gebiet war er höchst kreativ und erfindungsreich –, aber er war kein Künstler.
    Gleichermaßen war er von seinem Wesen her kein Wissenschaftler, obwohl er sich seit seiner Kindheit für die Naturwissenschaften interessierte; es fehlte ihm dazu an der nötigen Geduld, auf dem Weg zum Erfolg immer wieder Rückschläge hinzunehmen, und an der Bereitschaft, theoretisches Wissen über sinnliche Erfahrung zu stellen. Das Ansehen, das die meisten Wissenschaftler genossen, war ein Lohn, den Ahriman durchaus erstrebenswert fand, und die überlegene, ruhige Autorität, die vielen von ihnen eigen war – diesen Hohepriestern einer Kultur, deren Gott der Fortschritt und die Veränderung ist –, war ihm sozusagen in die Wiege gelegt. Die graue, freudlose Atmosphäre der Labors reizte ihn jedoch ebenso wenig wie die unendliche Langeweile ernsthafter Forschung.
    Im Alter von dreizehn Jahren hatte er – als Wunderkind, das schon das erste Jahr zum College ging – erkannt, dass die Psychologie die ideale berufliche Laufbahn für ihn bereithielt. Wer von sich behauptete, die Geheimnisse des Bewusstseins zu kennen, der wurde mit einem an Ehrfurcht grenzenden Respekt behandelt, ähnlich wie die Priester vergangener Jahrhunderte, in denen der Glaube an eine unsterbliche Seele ebenso weit verbreitet war, wie es heute die Vorstellung von einem unbewussten Es und einem bewussten Ego ist. Wenn ein Psychologe Autorität für sich geltend machte, wurde ihm diese von Nichtfachleuten bereitwillig zugestanden.
    Die meisten Menschen betrachteten die Psychologie als eine Wissenschaft. Von manchen wurde sie als weiche Wissenschaft bezeichnet, aber diese Einschätzung verlor immer mehr an Bedeutung.
    In den exakten Wissenschaften wie der Physik und der Chemie stellte man eine Hypothese auf, wenn man einer Gruppe von Phänomenen auf den Grund gehen wollte. Wenn dann eine große Menge von vielen Wissenschaftlern erbrachter Forschungsergebnisse die Annahmen dieser Hypothese bestätigte, konnte daraus ein allgemeines Gesetz formuliert werden. Und wenn sich diese Gesetze im Laufe der Zeit in Tausenden von Experimenten als allgemein anwendbar erwiesen, wurde vielleicht eine Theorie daraus.
    Es gab Psychologen, die sich bemühten, diese Grundsätze der Beweisführung auf ihrem Gebiet zu befolgen. Sie taten Ahriman Leid, denn sie gaben sich bei ihrer Arbeit der Illusion hin, sie verdankten ihre Autorität und ihre Macht der Entdeckung ewiger Wahrheiten, obwohl die Wahrheit doch in Wirklichkeit nur eine lästige Einschränkung der Autorität und der Macht war.
    In Ahrimans Augen war die Psychologie ein lohnendes Betätigungsfeld, weil man

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