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Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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eines echten Losers, weil du nämlich wahrscheinlich nicht tot, sondern bloß für den Rest deines Lebens gelähmt wärst und die nächsten vierzig Jahre hilflos an Apparaten hängen würdest.«
    »Nein, ich werde sterben«, sagte Skeet geradezu aufsässig.
    »Davon kannst du nicht ausgehen.«
    »Werd nicht überheblich, Dusty.«
    »Ich bin nicht überheblich.«
    »Es ist überheblich, wenn du einfach nur behauptest, du wärst nicht überheblich.«
    »Dann bin ich eben überheblich.«
    »Siehst du.«
    Dusty atmete tief durch, um seine Nerven zu beruhigen. »Das ist doch alles Käse. Komm runter von hier. Ich fahre dich rüber zum Four Seasons Hotel beim Fashion-Island-Einkaufszentrum. Da können wir aufs Dach steigen, vierzehn, fünfzehn Stockwerke hoch oder wie viele es auch immer sind, und dann kannst du springen. Dann kannst du dir wenigstens sicher sein, dass es funktioniert.«
    »Das würdest du nicht wirklich tun.«
    »Klar. Wenn du springen willst, mach es richtig. Verpfusch nicht auch das noch.«
    »Dusty, ich bin vielleicht zugeknallt, aber ich bin nicht blöd.«
    Motherwell und der Wachmann kamen jetzt mit einer riesigen Matratze aus dem Haus.
    Es war schon ein komisches Bild, wie sich die beiden wie Laurel und Hardy mit diesem sperrigen Monstrum abmühten, aber Skeets Gelächter klang in Dustys Ohren zutiefst humorlos.
    Die beiden Männer unten in der Auffahrt ließen ihre Last klatschend auf die beiden kleineren Matratzen fallen, die bereits auf der Plane lagen.
    Motherwell blickte zu Dusty hoch und breitete die Arme aus, als wollte er sagen: Worauf wartet ihr noch?
    Eine der Krähen entwickelte auf einmal militärische Qualitäten und startete einen Bombenangriff, dessen Zielgenauigkeit jede technisch hochgerüstete Luftwaffe der Welt vor Neid hätte erblassen lassen. Ein schmieriger weißer Fladen klatschte auf Skeets linken Schuh.
    Skeet blickte zu der arglosen Krähe hoch, dann auf seinen beschmutzten Turnschuh. Seine Stimmung schlug so abrupt und schlagartig um, dass man hätte annehmen können, der Kopf müsste sich ihm unter dem Ansturm einer solchen Energie wie ein Kreisel drehen. Das gespenstische Grinsen floss von ihm ab wie Wasser in einem gurgelnden Abfluss, in seiner Miene lag nur noch Verzweiflung. Mit gebrochener Stimme sagte er: »Das ist mein Leben«, und bohrte dabei mit dem Zeigefinger in dem matschigen Haufen auf seinem Schuh. »Mein Leben.«
    »Mach dich nicht lächerlich«, sagte Dusty. »Du bist zu ungebildet, um in Metaphern zu denken.«
    Diesmal gelang es ihm nicht, Skeet zum Lachen zu bringen.
    »Ich bin so müde«, sagte Skeet, während er ein Klümpchen Vogelmist zwischen Daumen und Zeigefinger drehte. »Zeit, zu Bett zu gehen.«
    Er sagte zwar Bett , aber er meinte damit nicht Bett . Er wollte damit auch nicht sagen, dass er vorhatte, sich ein Schläfchen auf dem Matratzenstapel zu genehmigen. Er meinte damit, dass er sich dem großen Schlaf zu überlassen und unter einer Zudecke aus Erde bei den Würmern zu träumen gedachte.
    Skeet richtete sich auf dem Dachfirst auf. Obwohl er kaum mehr als ein Strich in der Landschaft war, stand er kerzengerade da und machte den Eindruck, als könnte ihm der heulende Wind nicht übermäßig viel anhaben.
    Als Dusty sich in vorsichtig geduckter Haltung erheben wollte, riss ihn der stürmische Wind jedoch mit einer solchen Kraft nach vorn, dass er einen Moment lang ins Straucheln kam, bevor es ihm gelang, wieder Fuß zu fassen und seinen Körperschwerpunkt nach unten zu verlagern.
    Entweder war dieser Wind die Bestätigung des dekonstruktivistischen Ideals – und verhielt sich der Interpretation jedes Individuums entsprechend, für den einen eine laue Brise, für den anderen ein wilder Taifun –, oder die Höhenangst bewirkte, dass Dusty jeden Windstoß übertrieben stark wahrnahm. Da er mit den versponnenen Weltanschauungen seines Vaters jedoch schon vor langer Zeit abgeschlossen hatte, überlegte er sich, dass er ebenso gut wie Skeet in der Lage sein musste, aufrecht zu stehen, ohne Gefahr zu laufen, wie eine Frisbeescheibe davongewirbelt zu werden.
    Mit erhobener Stimme rief Skeet: »Es ist das Beste so, Dusty.«
    »Als wüsstest du, was das Beste ist.«
    »Versuch nicht, mich aufzuhalten.«
    »Versteh doch, ich muss es versuchen.«
    »Du kannst mich nicht davon abbringen.«
    »Das wird mir allmählich auch klar.«
    Sie standen sich gegenüber wie zwei Athleten, die auf steilem Feld einen seltsamen sportlichen Wettkampf austragen

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