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Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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streift.
    »Martie, was ist los? Sprich mit mir! Martie, lass mich dir helfen!«
    Vielleicht hörte sie ihn nicht wegen der Schreie, weil ihr Herz so laut hämmerte und weil ihr das Blut in den Ohren rauschte, vielleicht reagierte sie aber auch deshalb nicht, weil er ihr ohnehin nicht helfen konnte. Sie kämpfte gegen einen mächtigen Sog der Gefühle an, der sie in tiefe Gewässer und zu einem Abgrund hin trieb, in dem sie möglicherweise der endgültige Wahnsinn umfangen würde.
    Gegen seine bessere Einsicht streckte Dusty die Hand nach ihr aus, und sie reagierte genau so, wie er befürchtet hatte, zuckte vor ihm zurück, schlug seine Hand von ihrer Schulter und verkroch sich im äußersten Winkel des Beifahrersitzes in ihrer Angst, sie könnte ihm vielleicht die Augen auskratzen oder ihm noch Schlimmeres antun.
    Eine junge Frau, die gerade mit zwei Kleinkindern an ihnen vorbeikam, hörte Marties Schreie, kam näher, blickte stirnrunzelnd ins Wageninnere und fixierte Dusty mit so finsterer Miene, als sähe sie in ihm die Verkörperung sämtlicher Hekkenschützen, Kindermörder, Serienkiller, Bombenwerfer und Leichenschänder, die je den Weg in die Medien gefunden hatten. Sie nahm ihre Kinder fester bei der Hand und zog sie mit beschleunigtem Schritt zum Klinikgebäude, wo sie vermutlich umgehend einen Wachposten alarmieren würde.
    Der Anfall ging plötzlicher vorüber, als er begonnen hatte, nicht allmählich und schrittweise, sondern fast mit einem Schlag. Ein letzter Schrei, der im engen Innenraum des Fahrzeugs von Scheibe zu Scheibe dröhnte, ging unvermittelt in zerrissenes Schluchzen über, bis gleich darauf nur noch in Abständen ausgestoßene schwere Atemzüge zu hören waren und dazwischen ein herzerweichendes Klagen wie von einem verwundeten Tier, ein Klagen, dünn wie ein Seidenfaden, das an- und abschwellend die Fetzen dieser Atemzüge miteinander verband.
    Auch wenn Dusty nicht einmal einen flüchtigen Blick auf den Gruselfilm erhascht hatte, dessen Bilder sich stotternd im Kino ihrer Fantasie abgespult hatten, fühlte er sich nur von den Strapazen, ihre Qual mit ansehen zu müssen, völlig ausgelaugt. Sein Mund fühlte sich trocken an. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Einen Moment lang betrachtete er seine zitternden Hände, dann wischte er sich die feuchten Handflächen an den Jeans ab.
    Die Wagenschlüssel baumelten noch am Zündschloss. Er zog den Zündschlüssel heraus und schloss die Faust um den Bund, damit die Schlüssel nicht klirrten, dann stopfte er ihn in die Tasche, damit Marties Blick nicht darauf fallen konnte, wenn sie den jetzt noch gesenkten Kopf hob.
    Er tat dies nicht, weil er Angst hatte, sie könnte ihm die Schlüssel entreißen, um ihm in einem Anfall von Raserei die Augen auszustechen, wie es ihr dem eigenen Bekunden zufolge eine ihrer Wahnfantasien vorgegaukelt hatte. Auch nach dieser neuerlichen Panikattacke hatte er nicht mehr Angst vor ihr als zuvor.
    Was er jedoch fürchtete, war die Möglichkeit, dass in den Nachwehen ihres Anfalls der bloße Anblick der Schlüssel reichte, sie auf der steilen Treppe der Panik wieder ganz nach unten zu stoßen.
    Ohne einen anderen Laut als die schweren Atemzüge von sich zu geben, richtete Martie sich etwas auf und ließ sogar die Hände von den Schläfen sinken.
    »Ich halte das nicht mehr viel länger aus«, flüsterte sie.
    »Es ist vorbei.«
    »Ich fürchte, da irrst du dich.«
    »Für den Augenblick wenigstens.«
    Im sonnengesprenkelten Schatten des Laubdachs schien Marties Gesicht golden und schwarz zu flimmern, als wäre es ein unwirkliches Traumbild, in dem das goldene Flimmern immer weniger und das Schwarz immer mehr wurde, bis sich die Konturen des Gesichts ganz auflösten und es, noch ein letztes Mal aufglühend, erlosch wie die letzten Funken eines Feuerwerks am unendlichen Nachthimmel.
    Obwohl er die Möglichkeit, sie zu verlieren, mit dem Verstand weit von sich wies, wusste er mit dem Herzen, dass sie ihm zu entgleiten drohte, weil sie gefangen war von einer Macht, die er nicht begreifen konnte und gegen die er wehrlos dastand.
    Aber nein. Dr. Ahriman konnte ihr helfen. Konnte, würde, musste ihr helfen.
    Vielleicht gelang es Dr. Closterman ja mit CT, EEG, PET und wie die Kürzel und Akronyme der Hightech-Medizin alle hießen, ihre Krankheit zu diagnostizieren, das Problem einzukreisen, um schließlich die richtige Therapie zu finden.
    Wenn Closterman es allerdings nicht schaffte, dann ganz gewiss Ahriman.
    Aus einem

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