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Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Beklommenheit erwartete.
    »Es ist eine interessante und sehr seltene Krankheit«, fuhr Dr. Ahriman fort. »Autophobie, Angst vor der eigenen Person. Mir ist in meiner Praxis noch nie ein Fall begegnet, aber ich bin mit der diesbezüglichen Fachliteratur vertraut. Die Störung äußert sich in ungewöhnlichen Symptomen – wie Sie ja bedauerlicherweise am eigenen Leib erfahren haben.«
    »Autophobie«, sagte Martie erstaunt, und ihre Stimme klang dabei eher fasziniert als erschrocken, wie es der Situation angemessener gewesen wäre, gleichsam als hätte der Arzt sie allein durch die Benennung des Problems schon geheilt.
    Vielleicht lag es ja am Valium.
    Noch während sich Dusty über Marties Reaktion wunderte, wurde ihm bewusst, dass er ebenfalls nickend vor sich hin lächelte.
    Dr. Ahriman würde das Problem aus der Welt schaffen.
    »Statistisch gesehen«, sagte Ahriman, »ist es ausgesprochen ungewöhnlich, dass Sie und Ihre beste Freundin zur gleichen Zeit eine derart schwere Angststörung entwickeln. Phobien von einem solchen Ausmaß, wie Sie und Susan Sie derzeit erleben, sind selten, daher vermute ich einen Zusammenhang.«
    »Einen Zusammenhang? Inwiefern, Dr. Ahriman?«, fragte Dusty, wobei es die leise innere Stimme der Vernunft nicht lassen konnte, ihn darauf hinzuweisen, dass sein Tonfall an einen Zwölfjährigen erinnerte, der in einer dieser pädagogischen Sendungen, mit denen man Kindern die Naturwissenschaften schmackhaft machen will, einem Erwachsenen eine Frage stellt.
    Ahriman legte die Fingerspitzen ans Kinn, setzte eine nachdenkliche Miene auf und sagte: »Mrs. Rhodes, Sie begleiten Susan jetzt seit einem Jahr hierher …«
    »Seit Eric sich von ihr getrennt hat.«
    »Genau. Und Sie sind Susans Verbindung zur Außenwelt, Sie kaufen für sie ein, erledigen alle möglichen Dinge für sie. Sie haben sich stetig wachsende Sorgen um sie gemacht, weil Sie den Eindruck hatten, dass sie kaum Fortschritte macht. Und schließlich waren Sie so weit, sich selbst die Schuld dafür zu geben, dass ihre Freundin nicht schneller auf die Therapie reagiert.«
    »Wirklich?«, sagte Martie überrascht. »Ich gebe mir die Schuld?«
    »Soweit ich Sie inzwischen kenne, scheint es Ihrem Wesen zu entsprechen, dass Sie sich für andere Menschen überaus stark verantwortlich fühlen. Vielleicht haben Sie sogar ein übersteigertes Verantwortungsgefühl.«
    »Strahlebobs Erbe«, warf Dusty ein.
    »Er meint meinen Vater«, sagte Martie zu Ahriman. »Robert Woodhouse.«
    »Aha. Also, meiner Meinung nach ist Folgendes passiert: Sie hatten das Gefühl, Susan irgendwie im Stich gelassen zu haben, und auf diesem Nährboden sind dann Schuldgefühle in Ihnen gewuchert. Die Autophobie ist eine Folge dieser Schuldgefühle. Wenn Sie Ihre Freundin im Stich lassen konnten, die Sie so gern haben, so fingen Sie an sich einzureden, dann sind Sie offensichtlich nicht der gute Mensch, für den Sie sich immer gehalten haben, vielleicht sind Sie sogar ein schlechter Mensch, garantiert aber eine schlechte Freundin, das in jedem Fall, und darum kann man Ihnen nicht über den Weg trauen.«
    Die Erklärung schien Dusty zu simpel, um wahr zu sein … aber irgendwie klang sie einleuchtend.
    Marties Blick, den sie ihm in diesem Moment zuwarf, sagte ihm, dass sie dasselbe dachte.
    Konnte eine derart absonderliche, vielschichtige Störung über Nacht einen Menschen befallen, dessen psychische Konstitution zuvor so unerschütterlich gewesen war wie ein Fels in der Brandung?
    »Gestern erst«, sagte Ahriman zu Martie, »als Sie mit Susan hier waren, haben Sie mich beiseite genommen und mir geschildert, welche Sorgen Sie sich um sie machen.«
    »Das stimmt.«
    »Und erinnern Sie sich, was Sie noch zu mir gesagt haben?« Als Martie nicht gleich antwortete, fuhr Ahriman fort: »Sie haben gesagt, dass Sie das Gefühl haben, sie im Stich gelassen zu haben.«
    »Aber ich habe nicht gemeint …«
    »Sie haben es im Tonfall der Überzeugung gesagt. Regelrecht gequält. Sie hätten sie im Stich gelassen.«
    Martie überlegte kurz, dann sagte sie: »Ja, ich glaube, Sie haben Recht.«
    Mit einem Lächeln hob Ahriman das Kinn von den Fingerspitzen und kehrte die Handflächen nach oben, als wollte er sagen: Na, sehen Sie. »Wenn sich in unseren nächsten Sitzungen abzeichnet, dass ich mit meiner Diagnose richtig liege, können wir zuversichtlich sein.«
    »Ein bisschen Zuversicht könnte ich wahrlich gebrauchen«, sagte Martie, obwohl sie seit ihrer Ankunft in der Praxis

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