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Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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worden.
    Ihm fielen die nichts sagenden Formulierungen ein, mit denen sich Martie über den Roman geäußert hatte: wie eine Schülerin, die sich durch eine Buchbesprechung mogelt, ohne das Buch, über das sie referieren soll, auch nur ein einziges Mal aufgeschlagen zu haben. Er war plötzlich davon überzeugt, dass Martie kein einziges Wort der Geschichte gelesen hatte, obwohl ihm völlig rätselhaft war, warum sie ihn in einer so belanglosen Sache belogen haben sollte.
    Im Grunde fiel es ihm schwer, sich vorzustellen, dass Martie ihn überhaupt je anlügen konnte, gleichgültig ob in belanglosen oder wichtigen Dingen. Ihre außergewöhnliche Liebe zur Wahrheit war einer der Prüfsteine, an denen sie sich selbst ständig bewies, dass sie eines Vaters wie Strahlebob Woodhouse würdig war.
    Nachdem er auch seine Jacke aufgehängt hatte, warf er, ohne das Buch aus der Hand zu legen, einen Blick auf die Zeitschriften, die auf dem Tisch lagen. Sie gehörten alle zum gleichen Schlag: Entweder ergingen sie sich in hemmungsloser, katzbuckelnder Bewunderung für die Reichen und Schönen dieser Welt, oder sie nahmen jedes Wort und jeden Schritt derselben mit kritischem Blick und scharfer Zunge auseinander, was letztlich ja auf dasselbe Ergebnis hinauslief wie die katzbukkelnde Bewunderung.
    Ohne die Zeitschriften weiter zu beachten, setzte er sich mit dem Buch in einen der Sessel.
    Den Titel hatte er irgendwo schon einmal gehört. Der Roman war bei seinem Erscheinen ein Bestseller gewesen, und er hatte auch als Vorlage für einen weit beachteten Film gedient. Dusty hatte weder das Buch gelesen noch den Film gesehen.
    Botschafter der Angst von Richard Condon.
    Dem Impressum konnte man entnehmen, dass die Erstausgabe bereits 1959 erschienen war. Vor einer Ewigkeit. In einem anderen Jahrtausend.
    Aber immer noch im Handel. Ein gutes Zeichen.
    Erstes Kapitel. Obwohl es ein Thriller war, begann die Geschichte nicht in einer düsteren Sturmnacht, sondern bei strahlendem Sonnenschein, und zwar in San Francisco. Dusty fing an zu lesen.
    *
     
    Ahriman forderte Martie auf, sich auf die Couch zu setzen, wo Platz für sie beide war. Folgsam erhob sie sich aus dem Sessel.
    Ganz in Schwarz gehüllt. Unfarbe für ein Spielzeug – das noch intakt ist.
    Auch dieses Haiku schlug eine Saite in ihm an, und er ließ es mit zunehmender Befriedigung ein paarmal vor seinem geistigen Auge passieren. Es war nicht so gut wie die Tiffany-Verse, aber doch wesentlich besser als seine misslungenen Versuche, Susan Jagger in einem Gedicht zu würdigen.
    Dicht neben Martie sitzend, wenn auch nicht Schenkel an Schenkel mit ihr, sagte Ahriman: »Gemeinsam treten wir heute in eine neue Phase ein.«
    In der feierlichen Stille ihrer inneren Kapelle, in der die Opferkerzen einzig für den Gott Ahriman brannten, lauschte Martie seinen Worten mit der stummen Ergebenheit und dem leuchtenden, verklärten Blick einer Johanna von Orleans beim Klang der Stimme, die ihre Sendung verkündet.
    »Vom heutigen Tag an wirst du feststellen, dass Zerstörung und Selbstzerstörung eine immer größere Faszination auf dich ausüben. Erschreckend, das wohl. Aber selbst der Schrecken hat seinen süßen Reiz für dich. Sag mir bitte, ob du schon einmal Achterbahn gefahren bist, eine von den Bahnen, in denen man sich bei hohem Tempo überschlägt.«
    »Ja.«
    »Sag mir bitte, was du in dieser Achterbahn gefühlt hast.«
    »Angst.«
    »Aber du hast noch etwas anderes gefühlt.«
    »Aufregung. Freude.«
    »Siehst du. Angst und Freude gehören für uns zusammen. Wir sind eine völlig verkorkste Spezies, Martie. Angst macht uns Spaß, die eigene ebenso wie die der anderen. Es ist besser für uns, wenn wir dazu stehen, dass wir verkorkst sind, und uns nicht verzweifelt bemühen, besser zu sein, als es unserem Wesen entspricht. Du verstehst, was ich sage.«
    Ihre Augen bewegten sich blitzschnell hin und her. REM. »Ja«, sagte sie.
    »Gleichgültig, wie uns unser Schöpfer haben wollte, wir sind so geworden, wie wir sind . Mitgefühl, Liebe, Demut, Rechtschaffenheit, Integrität, Wahrhaftigkeit – sie sind wie die Glasscheiben, gegen die ein Vogel unbelehrbar immer wieder fliegt. Wir stoßen uns blutig am Glas der Liebe, am Glas der Wahrheit, weil wir uns törichterweise verzweifelt abmühen, an Ziele zu gelangen, die wir nie erreichen können, uns abmühen, etwas zu sein, was in unserem Wesen nicht angelegt ist.«
    »Ja.«
    »Die Macht und ihre wichtigsten Begleiter – Tod und Sex. Das

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