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Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Augen, und obwohl sie die zitternden Lippen fest zusammenpresste, sammelte sich in ihren Mundwinkeln ein salziger Geschmack.
    *
     
    Sie nahmen ihr Mittagessen im Wagen ein, den sie auf dem Parkplatz hinter einem Drive-in-Restaurant abgestellt hatten.
    »Kein Tischtuch, keine Kerzen, keine Vase mit Blumen«, sagte Dusty, der sich ein Fischsandwich und Pommes frites schmecken ließ, »aber ich muss zugeben, dass wir eine herrliche Aussicht auf die Mülltonnen genießen.«
    Obwohl sie am Morgen ohne Frühstück aus dem Haus gegangen war, hatte Martie nur einen kleinen Vanilleshake bestellt, an dem sie jetzt vorsichtig nippte. Sie hatte kein Interesse daran, mit vollgestopftem Magen einen ähnlichen Horrorfilm zu erleben wie die Flut abscheulicher Bilder, die ihr auf der Fahrt von Skeets Wohnung zu Dr. Clostermans Praxis durch den Kopf geschossen waren.
    Sie versuchte, Susan über das Handy zu erreichen, und wartete zwanzig Klingeltöne ab, bevor sie auf die Aus -Taste drückte.
    »Da stimmt etwas nicht«, sagte sie.
    »Überstürz es nicht mit deinen Schlussfolgerungen.«
    »Von Überstürzen kann gar keine Rede sein – ich komme
    mir eher wie im Tran vor«, sagte Martie, womit sie, angesichts der doppelten Valiumdosis, vermutlich nicht ganz Unrecht hatte. Und wirklich, ihre Sorge war, wenn auch eindeutig nicht wegzuleugnen, irgendwie verschwommen und nebulös.
    »Wenn wir sie nach unserem Besuch bei Dr. Ahriman immer noch nicht erreichen, machen wir einen Abstecher zu ihr und sehen nach, was los ist«, versprach Dusty.
    Im Chaos ihrer für sie selbst unbegreiflichen Gefühlsanwandlungen hatte Martie keine Gelegenheit gefunden, Dusty von Susans unglaublichem Verdacht zu erzählen, davon, dass sie glaubte, regelmäßig von einem nächtlichen Eindringling heimgesucht zu werden, der kam und ging, wie es ihm gefiel, und Dinge mit ihr machte, an die sie sich am Morgen nicht mehr erinnern konnte.
    Auch jetzt schien ihr nicht der richtige Moment dafür zu sein. Eben erst hatte sie halbwegs ihr inneres Gleichgewicht wieder gefunden; wenn sie jetzt über ihre emotionsgeladene Unterhaltung mit Susan sprach, würde sie das alles vielleicht wieder aus dem Lot bringen. Außerdem blieb ihr, da sie in wenigen Minuten bei Dr. Ahriman sein musste, keine Zeit, Dusty in der angemessenen Ausführlichkeit von dem Gespräch zu berichten. Also später.
    »Irgendwas stimmt da nicht«, sagte sie noch einmal, ließ es dann aber dabei bewenden.
    * 
    Seltsam, so ohne Susan in diesem geschmackvoll eingerichteten, in Schwarz und Honiggelb gehaltenen Wartezimmer zu sein.
    In dem Augenblick, als Martie über die Schwelle trat und den Fuß auf die schwarzen Granitfliesen setzte, fühlte sie, wie ein beträchtlicher Teil der Last, die sie niederdrückte, von ihr abfiel. Was für eine wunderbare Leichtigkeit des Körpers und des Geistes! Welch willkommener Hoffnungsfunke in ihrem Herzen.
    Auch das erschien ihr seltsam und ganz anders als die Wirkung des Valiums. Das Beruhigungsmittel dämpfte ihre Angst, unterdrückte sie, aber sie konnte noch spüren, wie sie sich unter der Oberfläche der chemischen Betäubung wand. Die Wirkung dieses Raums jedoch war so, dass sie fühlen konnte, wie die Angst von ihr aufstieg und sich entfernte, wie sie nicht einfach nur unterdrückt wurde, sondern sich geradezu in Luft auflöste.
    Genauso war Susan im vergangenen Jahr zweimal wöchentlich aufgelebt, sobald sie diese Räume betreten hatte. Die schwere Hand der Agoraphobie hatte den Druck in keinem Raum außerhalb ihrer eigenen Wohnung gelockert, aber hier, jenseits dieser Schwelle, hatte Susan unweigerlich Erleichterung gefunden.
    Wenige Sekunden, nachdem Jennifer den Kopf gehoben und ihnen beim Eintreten aus dem Korridor entgegengesehen hatte, ging die Tür zu Dr. Ahrimans Sprechzimmer auf, und der Arzt kam ins Wartezimmer, um sie zu begrüßen.
    Er war groß und gut aussehend. Seine Pose, seine Haltung, sein untadeliges Äußeres, alles an ihm erinnerte Martie an die Grandseigneurs in den Filmen vergangener Tage: an William Powell, an Cary Grant.
    Martie hatte keine Ahnung, wie es der Arzt anstellte, eine derart angenehme Aura der Ruhe und Kompetenz zu verbreiten, aber sie machte auch gar nicht erst den Versuch, dem Phänomen auf den Grund zu gehen, denn sein bloßer Anblick hatte, mehr noch als die Atmosphäre des Wartezimmers, eine wunderbar wohltuende Wirkung auf sie, und so akzeptierte sie einfach die Welle der Hoffnung, von der sie wie in einem Sog erfasst

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