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Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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echt, auch wenn sie sich manchmal Mühe geben musste, diesen Zorn wie ein Feuer immer wieder neu zu schüren und am Leben zu erhalten. Eric – war immer ein stiller, unauffälliger und sanftmütiger Mensch gewesen – trotz der Tatsache, dass er seine Frau verlassen hatte, fiel es Martie auch schwer, ihn richtiggehend zu hassen. Aber schon aus Liebe zu Susan musste sie ihn verachten, und abgesehen davon war sie der Meinung, dass Susan Wut nötig hatte, wenn sie ihre Agoraphobie erfolgreich bekämpfen wollte.
    »Wenn ich Krebs hätte oder so, wäre Eric bei mir geblieben«, sagte Susan. »Ich bin nicht einfach nur krank, Martie. Ich bin verrückt, so liegen die Dinge.«
    »Du bist nicht verrückt«, widersprach Martie energisch. »Phobien und Ängste sind nicht dasselbe wie Wahnsinn.«
    »Nach meinem Empfinden bin ich wahnsinnig. Völlig durchgeknallt.«
    »Er hat es nicht mal vier Monate ausgehalten, nachdem es angefangen hat. Er ist ein Schwein, ein Stinktier, eine feige Ratte und Schlimmeres.«
    Dieser schwierige Teil ihrer Besuche – den Martie bei sich als die Austreibungsphase bezeichnete – mochte für Susan anstrengend sein, aber für sie selbst war er die reinste Hölle. Um die Freundin trotz deren heftiger Gegenwehr aus dem Haus zu bekommen, musste sie hart und unerbittlich sein; und auch wenn diese Härte von Liebe und Mitgefühl gespeist wurde, war es für Martie so, als würde sie Susan bedrohen und einschüchtern. Es widersprach Marties Wesen, diese Rolle zu spielen, auch wenn der zugrunde liegende Zweck ein guter war, und jedes Mal, wenn sie nach einer solchen vier bis fünf Stunden währenden Tortur nach Corona del Mar zurückkehrte, war sie physisch und emotional mit ihren Kräften am Ende.
    »Susan, du bist schön, du bist ein netter Mensch, du bist etwas Besonderes, und du bist stark genug, dagegen anzukämpfen.« Sie schwenkte auffordernd den Regenmantel. »Also heb jetzt endlich deinen Hintern aus dem Sessel.«
    »Warum kann Dr. Ahriman nicht zur Therapiestunde zu mir kommen?«
    »Dass du zweimal in der Woche aus dem Haus gehst, gehört zur Therapie. Du kennst die Theorie – man muss das, wovor man die größte Angst hat, immer wieder tun. Eine Art Immunisierung.«
    »Es funktioniert nicht.«
    »Komm schon.«
    »Es wird immer schlimmer.«
    »Los jetzt.«
    »Es ist so hart«, jammerte Susan. Sie ließ die Sessellehnen los und ballte die Hände im Schoß zu Fäusten. »So verdammt hart.«
    »Heulsuse.«
    Sie starrte Martie böse an. »Manchmal kannst du wirklich eine gemeine Schlampe sein.«
    »Tja, so bin ich eben. Wäre Joan Crawford noch am Leben, würde ich sie zu einem Zweikampf mit Drahtkleiderbügeln herausfordern und ihr das Gesicht zerkratzen.«
    Lachend erhob sich Susan aus dem Sessel, dann schüttelte sie den Kopf. »Wie konnte ich nur so etwas sagen. Es tut mir Leid, Martie. Ich weiß wirklich nicht, was ich ohne dich tun würde.«
    Während sie Susan in den Mantel half, sagte Martie: »Benimm dich ordentlich, mein Mädchen, dann holen wir uns auf dem Rückweg ein tolles Essen beim Chinesen. Wir machen zwei Flaschen Tsingtao auf und spielen beim Essen eine Partie Binokel um Geld, fünfzig Cent für jeden Punkt.«
    »Du schuldest mir schon mehr als sechshunderttausend Dollar.«
    »Ha, da kannst du dich auf den Kopf stellen und mit den Füßen wackeln! Spielschulden sind nicht einklagbar.«
    Nachdem Susan außer einer Lampe alle Lichter gelöscht hatte, nahm sie ihre Handtasche vorn Couchtisch und ging vor Martie her durch die Wohnung.
    Auf dem Weg durch die Küche zog ein gefährlich aussehendes Objekt, das auf einem Schneidebrett neben dem Spülbekken lag, Marties Blick auf sich. Es war ein klassisches italienisches Küchengerät: ein Wiegemesser mit halbmondförmig gebogener Edelstahlklinge und je einem Griff an den beiden Enden, das zum Zerkleinern von Gemüse und Kräutern benutzt wurde.
    Es sah aus, als würde die Schneide unter Strom stehen und knisternde Funken versprühen.
    Martie konnte den Blick nicht davon abwenden. Ihr wurde erst bewusst, dass sie wie hypnotisiert auf das Wiegemesser starrte, als sie Susans erstaunte Frage hörte: »Was ist los?«
    Ihre Kehle war wie zugeschnürt, und die Zunge fühlte sich geschwollen an. Mit hörbar belegter Stimme stellte sie eine Frage, auf die sie die Antwort bereits wusste: »Was ist das?«
    »Hast du so eins noch nie benutzt? Die Dinger sind fantastisch. Man kann eine Zwiebel damit blitzschnell zerhacken.«
    Der Anblick des Messers

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