Stimmen der Angst
beschreiten, denn sie schien ihm für sich selbst und Martie geradewegs in der Hoffnungslosigkeit zu enden.
Dr. Ahriman als Feind war Feind genug. Nur in der Bibel konnte ein David einen Goliath besiegen. Nur im Kino hatte der kleine Mann eine Chance gegen die Allmacht eines Leviathans.
»Ahriman arbeitet mit billigen Schlägern?«, sagte Martie, weil sie entweder nicht zu der Erkenntnis gelangt war, die Dusty schlagartig aufgegangen war – oder diese nicht wahrhaben wollte.
»An dieser Sorte ist nichts billig. Sie haben eine hervorragende Altersversorgung, die beste Krankenversicherung einschließlich aller anfallenden Zahnarztkosten und eine solide, unauffällige Dienstlimousine. Wie dem auch sei, sie hatten ein Videoband mitgebracht und spielten es mir vor. Es waren Aufnahmen von einem Jungen, einem Patienten von mir. Auch seine Eltern sind meine Patienten und außerdem gute Freunde. Sehr gute Freunde.«
Der Arzt müsste innehalten. Er erstickte fast an seiner Wut und Empörung. Er umklammerte sein Bier so krampfhaft, dass es aussah, als wollte er die Flasche mit der bloßen Hand zerbrechen.
Dann fuhr er fort: »Der Junge ist neun Jahre alt, ein liebes Kind. In der Aufnahme ist sein Gesicht tränenüberströmt. Er erzählt einem Zuhörer, der nicht im Bild ist, dass er, seit er sechs ist, von seinem Arzt, von mir, sexuell belästigt wird. Ich habe den Jungen niemals in dieser Weise berührt, würde und könnte so etwas nie tun. Aber er ist sehr überzeugend, innerlich aufgewühlt und sehr anschaulich in dem, was er beschreibt. Jeder, der ihn kennt, weiß, dass er so etwas unmöglich schauspielern könnte, dass er nicht fähig wäre, eine Lüge so gekonnt zu verkaufen . Er ist viel zu naiv, um sich so zu verstellen. Er glaubt das, was er sagt, jedes einzelne Wort. In seiner Vorstellung sind all diese scheußlichen Dinge, die ich ihm angetan haben soll, tatsächlich passiert.«
»Der Junge war Ahrimans Patient«, sagte Dusty.
»Nein. Aber die drei feinen Herren, die sich unbefugt Zutritt zu meinem Haus verschafft haben, diese Verbrecher im Maßanzug, haben mir erzählt, dass seine Mutter Patientin von Ahriman ist. Ich hatte keine Ahnung davon. Ich weiß nicht, weshalb sie bei ihm in Behandlung ist.«
»Und über seine Mutter«, sagte Martie, »hat sich Ahriman Zugang zu dem Jungen verschafft.«
»Er hat ihm irgendwie, durch Hypnose oder sonst eine Technik der mentalen Beeinflussung, diese falschen Erinnerungen eingegeben.«
»Es ist mehr als eine mentale Beeinflussung durch Hypnose«, sagte Dusty. »Ich weiß nicht, was es ist, aber es geht sehr viel tiefer.«
Nachdem er seine innere Erregung mit einem Schluck Bier gedämpft hatte, fuhr Roy Closterman in seinem Bericht fort. »Die Schweinehunde haben mir erzählt … dass sich der Junge während der Aufnahme in einer Trance befand und dass er, einmal daraus erwacht, nichts mehr von diesen falschen Erinnerungen, von den schrecklichen Dingen, die ich angeblich mit ihm getan habe, wissen würde. Sie würden ihn auch nicht in seinen Träumen oder auf einer unterbewussten Ebene quälen. Sie würden keinerlei Auswirkungen auf seine Psyche, sein Leben haben. Aber diese falschen Erinnerungen wären in seinem, wie sie es nannten, Unter -Unterbewusstsein gespeichert und würden aus ihm heraussprudeln, sobald er angewiesen werde, sich zu erinnern. Sie machten klar, dass sie entschlossen waren, ihm diese Anweisung zu geben, sollte ich auch nur den Versuch wagen, Mark Ahriman im Ornwahl-Fall oder in irgendeinem anderen Zusammenhang Schwierigkeiten zu bereiten. Dann sind sie mit der Videokassette wieder abgezogen.«
In Dustys Innerem, in den weiten Korridoren seines Bewusstseins, hatte sich Ahrimans Fürsprecher in abgelegene Winkel verirrt, von wo aus seine Stimme ihn nur noch leise und gar nicht mehr überzeugend erreichte.
»Haben Sie irgendeine Vermutung, wer diese drei Männer waren?«, fragte Martie.
»Es spielt für mich keine große Rolle, wie der Verein heißt, der ihnen ihr Gehalt überweist«, sagte Roy Closterman. »Ich weiß, wonach es roch.«
»Staatliche Behörde«, sagte Dusty.
»Es stank förmlich danach«, sagte der Arzt und nickte.
Auf einmal schien Marties Angst vor dem Gewaltpotenzial anderer größer zu sein als ihre Furcht vor sich selbst, denn sie legte ihre Hand auf Dustys und hielt sie ganz fest.
Aus dem Flur war lautes Hecheln und das weiche Tapsen von Hundepfoten zu hören. Valet und Charlotte hatten sich offenbar ausgetobt und kamen
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