Stimmen der Angst

wurden kreischend und scheppernd von der Karosserie gerissen, dann blieb der Ford endlich auf dem Dach liegen.

67. Kapitel
    Kein Riechsalz hätte Martie so schnell aus ihrer Schreckensstarre reißen können wie der durchdringende Benzingeruch. Irgendwo musste ein Schlauch gerissen sein, denn sie hörte auch ein leises Plätschern.
    »Alles in Ordnung mit dir?«
    »Ja«, sagte Dusty, der mit seinem Sicherheitsgurt kämpfte und vor sich hin fluchte, weil entweder der Verschluss klemmte oder er zu desorientiert war, um ihn zu finden.
    Auch Martie fiel es schwer, sich zu orientieren. Sie hing kopfüber im Gurt, das Lenkrad über sich und noch ein Stück weiter oben ihre Füße und der Wagenboden. »Sie werden uns holen.«
    »Die Pistole«, sagte er hastig.
    Der Colt steckte in ihrer Tasche, aber die Tasche war nicht mehr da, wo sie sich zuvor befunden hatte, nicht mehr auf dem Sitz zwischen ihrer Hüfte und der Tür eingeklemmt.
    Ihrem Gefühl nach wollte sie sie auf dem Boden suchen, aber der Boden war jetzt über ihr. Die Tasche konnte schlecht nach oben gefallen sein.
    Mit fliegenden Fingern tastete sie nach dem Gurtverschluss, befreite sich hektisch aus den vertrackten Riemen und ließ sich zum Wagenverdeck hinuntergleiten.
    Stimmen. Noch ein ganzes Stück entfernt, aber sie kamen näher.
    Sie hätte ihr Haus verwettet, dass es keine Sanitäter waren, die ihnen da zu Hilfe eilen wollten.
    Dusty wand sich aus seinem Gurt und rutschte auf das Verdeck hinunter. »Wo ist sie?«
    »Ich weiß es nicht.« Sie brachte die Worte nur keuchend heraus, weil ihr das Atmen in der benzingeschwängerten Luft immer schwerer fiel.
    Im Innern des umgestürzten Wagens herrschte trübes Dämmerlicht. Draußen färbte sich der wolkenverhangene Himmel im Zwielicht des heraufziehenden Abends immer dunkler. Die zersplitterte Windschutzscheibe war dicht mit Grasbüscheln, Strauchzweigen und anderen Pflanzenteilen bedeckt, die der Wind in dem ausgetrockneten Flussbett zusammengeweht hatte, sodass aus dieser Richtung kaum Licht ins Wageninnere drang.
    »Da!«, rief Dusty.
    Sie hatte die Tasche fast gleichzeitig am Rückfenster entdeckt und robbte jetzt auf dem Bauch dorthin.
    Da sie das mittlere Fach der Tasche nicht geschlossen hatte, waren einige Gegenstände herausgefallen. Martie fegte eine Puderdose, einen Kamm, einen Lippenstift und anderen Krimskrams beiseite und griff nach der Tasche. Am Gewicht merkte sie, dass die Waffe noch darin war.
    Geröll prasselte auf den himmelwärts gerichteten Fahrzeugboden, losgetreten von Männern, die vom Schotterweg her über die Böschung herunterkamen.
    Martie drehte den Kopf nach beiden Seiten zu den Fenstern, die nur wenige Zentimeter vom Boden entfernt waren. Sie rechnete fest damit, dass dort gleich die Füße der Männer auftauchen würden.
    Sie bemühte sich, leise zu sein, um die Schritte besser zu hören, die ihr vielleicht Aufschluss darüber geben konnten, von welcher Seite sich die Männer dem Auto nähern würden, aber in dem schweren Benzindunst konnte sie nicht anders, als geräuschvoll nach Luft zu schnappen. Auch Dusty keuchte angestrengt, und dieses verzweifelte Ringen nach Luft war ein Geräusch, das erschreckender klang als das Geprassel der herunterrollenden Steine.
    Pittipatt, pittipatt – nicht ihr Herzschlag, denn der war ein dumpfes Dröhnen – pittipatt, pittipatt , und dann zuckte sie zusammen, weil ihr etwas Nasses über das Gesicht lief. Als sie nach oben blickte, sah sie, dass Benzin durch den Wagenboden tröpfelte.
    Sie verrenkte den Hals, um hinter sich zu sehen, und erkannte, dass an drei oder vier Stellen Benzin ins Wageninnere sickerte. Die Tropfen fingen das bisschen Licht ein, das durch die Fenster hereinfiel, und schimmerten im Fallen wie Perlen.
    Dustys Gesicht. In seinen weit geöffneten Augen stand die Erkenntnis ihrer hoffnungslosen Lage.
    Die beißenden Benzindämpfe trieben Martie die Tränen in die Augen, und Sekunden bevor das Gesicht ihres Mannes vor ihr verschwamm, sah sie, deutlicher, als er es mit seiner rasselnden Stimme zu sagen vermochte, wie seine Lippen die Worte Nicht schießen formten.
    Wenn nicht schon das Mündungsfeuer eine Explosion auslöste – was es zweifellos tun würde –, dann würde der erste Funke, den die Kugel beim Abprallen schlug, den Wagen in die Luft jagen.
    Sie wischte sich mit dem Handrücken über die tränenden Augen und sah vor dem Fenster, das ihr am nächsten war, ein Paar Cowboystiefel auftauchen. Dann begann jemand