Stimmen der Angst
neben sie auf die Rückbank. Er saß direkt hinter dem Fahrer.
Beide Männer bewegten sich mit der federnden Geschmeidigkeit von Leichtathleten, und ihre Gesichter sahen nicht aus wie die von gewöhnlichen angeheuerten Schlägern. Narbenlos, frisch, mit hoher Stirn, ausgeprägten Wangenknochen, einer schmalen, geraden Nase und markantem Kinn, sah jeder von ihnen aus wie der Mann, den eine junge Erbin mit nach Hause bringen kann, ohne dass Mami und Daddy ihr den monatlichen Scheck streichen und ihr Erbe auf eine schäbige Teekanne reduzieren würden. Sie sahen sich so ähnlich, dass nur ihre Haarfarbe – der eine blond, der andere kupferrot – und ihr unterschiedliches Temperament sie davor bewahrte, gänzlich für Klone gehalten zu werden.
Der Blonde schien der aufbrausendere von beiden zu sein. Offenbar immer noch wütend über Dustys Langsamkeit, legte er mit einem Ruck den ersten Gang ein und fuhr so abrupt los, dass die Reifen durchdrehten und Schotter prasselnd gegen das Bodenblech spritzte, dann raste er in Richtung des etwa einen Kilometer entfernten Highways davon.
Der Rothaarige zog lächelnd eine Augenbraue hoch, als wollte er damit sagen, dass sein Partner manchmal schon eine Nervensäge sein konnte.
Er hielt die Maschinenpistole so in einer Hand, dass die Mündung nach unten zwischen seine Füße zeigte. Offensichtlich rechnete er nicht damit, dass Martie ernsthaft Widerstand leisten könnte.
Sie hätte es auch tatsächlich nie geschafft, ihn zu entwaffnen oder außer Gefecht zu setzen. So schnell und kräftig, wie er war, hätte er ihr mit einem kurzen Ruck des Ellbogens den Kehlkopf eingedrückt oder sie mit dem Gesicht voran durch die Seitenscheibe geschmettert.
In diesem Moment wünschte sie sich Strahlebob sehnlicher herbei denn je, sei es als Mensch aus Fleisch und Blut oder als Geist. Auf jeden Fall aber mit einer Feuerwehraxt.
Sie dachte, sie würden zum Highway im Süden fahren. Aber nach weniger als einem halben Kilometer bogen sie von dem Schotterweg auf eine Buckelpiste ab, die in gerader Linie nach Osten führte und nur daran zu erkennen war, dass sie eine scharf abgegrenzte Schneise in die Vegetation aus Präriegras, Mesquitesträuchern und Kaktusgewächsen schlug.
Wenn sie die Karte richtig in Erinnerung hatte – und nach dem zu urteilen, was sie auf der Fahrt von Santa Fe zur Ranch von der Umgebung gesehen hatte –, gab es in dieser Richtung nichts als unbewohnte Wüstenlandschaft.
Die Scheinwerfer konnten den Wirbel, der ihnen wie ein wild schäumender Niagarafall aus Schneeflocken entgegenstürzte, nicht durchdringen, es hätte also ebenso gut eine Stadt vor ihnen liegen können. Aber Martie machte sich keine Hoffnung auf eine blühende Metropole, eher erwartete sie ein Schlachtfeld der namenlosen Gräber.
»Wohin fahren wir?«, fragte sie, weil sie annahm, dass eine Flut ängstlicher Fragen von ihr erwartet wurde.
»Zum Liebesnest«, sagte der Fahrer und suchte ihre Augen im Rückspiegel, anscheinend um sich an ihrem Erschrecken zu weiden.
»Wer seid ihr?«
»Wir? Wir sind die Zukunft«, sagte der Fahrer.
Als mokierte er sich über den melodramatischen Ton seines Partners, zog der Mann neben ihr wieder grinsend die Brauen hoch.
Sie rasten zwar nicht mehr so wie auf dem Schotterweg, aber der BMW war immer noch viel zu schnell für das holprige Gelände. An einem tiefen Schlagloch machte der Wagen einen Satz und schabte beim Aufkommen so mit Auspufftopf und Ölwanne über den Boden, dass eine weitere heftige Erschütterung die Folge war.
Martie und der Rothaarige, die beide nicht angeschnallt waren, wurden von der Rückbank nach vorn geschleudert.
Martie nutzte die Gelegenheit, griff hinter sich und schob die Hand unter den Pullover. Sie zog die Waffe aus dem Gürtel, solange der Fahrer noch darum kämpfte, mit dem ausscherenden Wagen gegenzusteuern.
Als sie wieder geradeaus fuhren, hielt Martie die Pistole, dicht an Schenkel und Sitz gedrückt, in der Hand, die durch ihre lose fallende, offene Jacke verdeckt wurde. Zudem versperrte ihr Oberkörper dem Rotschopf die Sicht auf den Colt.
Der Fahrer hatte seine Waffe vermutlich griffbereit neben sich auf den Beifahrersitz gelegt.
Der Rothaarige hielt seine Maschinenpistole nach wie vor mit der rechten Hand mit gesenktem Lauf zwischen den Knien.
Handeln. Klug vorgehen und sich dabei an moralischen Grundsätzen orientieren. Sie hatte Vertrauen zu ihrer Klugheit. Natürlich war es grundsätzlich nicht moralisch, einen
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