Stimmen der Angst
vor sich hin brummenden BMW, während sich die Welt um sie herum auflöste und im Schneegestöber davongewirbelt wurde.
Dusty war, nachdem er sich aus dem Kofferraum befreit hatte, einer rasch undeutlicher werdenden Spur aus Fußabdrükken und Blut gefolgt.
Als sie ihn auf sich zukommen sah, ließ Martie die Waffe aus der Hand plumpsen.
Sie trafen sich am Fuß der Kivatreppe und fielen sich in die Arme.
Er war wie ein Anker für sie. Die Welt konnte sich nicht auflösen oder davonwirbeln, solange er auf dieser Welt weilte, denn er schien ihr so unvergänglich zu sein wie ein Gebirge. Vielleicht war diese Vorstellung ebenso eine Illusion wie die Unvergänglichkeit des Gebirges, aber sie klammerte sich daran, denn sie gab ihr Halt und Sicherheit.
69. Kapitel
Die Abenddämmerung war längst in Dunkelheit übergegangen, als Skeet und sein rotgesichtiger Begleiter, die sich die Hosen über ihren gefüllten Bäuchen straff zogen und mit Zahnstochern hartnäckige Faserreste aus den Zähnen pickten, im Sturmschritt aus der Grünen Oase kamen und auf ihr luftverpestendes Gefährt zusteuerten, das gleich darauf knatternd eine schwarze Wolke von verbranntem Motoröl ausstieß. Ahriman hätte schwören können, dass er den Gestank riechen konnte, obwohl er bei geschlossenen Fenstern in seinem El Camino saß.
Eine Minute später tauchte auch Jennifer frisch gestärkt und kraftstrotzend wie ein junges Pferd am Eingang des Restaurants auf. Sie machte ein paar Dehnübungen, um die Steifheit aus Hinterteil, Kruppe, Knie-, Fessel- und Kötengelenk zu vertreiben, dann machte sie sich, nun nicht mehr im Renngalopp, sondern in einem leichten Trab, mit wippendem Pferdeschwanz auf den Heimweg und träumte dabei vermutlich von einem frischen Strohlager ohne Stallmäuse und einem leckeren, knackigen Apfel als Betthupferl.
Ebenso unermüdlich wie unbedarft nahmen die Detektive die Verfolgung auf, die durch die langsamere Gangart der Beschatteten und durch die Dunkelheit erschwert wurde.
Obwohl selbst Skeet und seinem Kumpel möglicherweise irgendwann dämmern würde, dass diese Frau nicht zu einem Rendezvous mit Ahriman verabredet war und ihre eigentliche Jagdbeute ihnen ein Schnippchen geschlagen hatte, verzichtete Ahriman darauf, sich an ihre Fersen zu heften. Stattdessen fuhr er ihnen wieder voraus, diesmal in die Straße, in der Jennifer wohnte. Er parkte vor ihrem Apartmenthaus unter der ausladenden Krone eines Korallenbaums, der groß genug war, um der Schweizer Familie Robinson als Gästehaus zu dienen, und ihm Schutz vor dem Schein der Straßenlaternen bot.
*
Unter anderen Umständen hätten Martie und Dusty sich an die Polizei gewandt, aber in diesem Fall zogen sie eine solche Möglichkeit nicht ernsthaft in Erwägung.
Dusty schauderte bei dem Gedanken, die Polizei zu rufen, wenn er an Bernardo Pastores zusammengeflicktes Gesicht dachte und an die Enttäuschungen, die dem Rancher bei seiner Suche nach Gerechtigkeit für seinen ermordeten Sohn und seine tote Frau, die alle Schuld auf sich genommen hatte, auf Schritt und Tritt begegnet waren. Die Beamten würden sich anhand der Beweislage kaum davon überzeugen lassen, dass ausgerechnet das Bellon-Tockland-Institut, das sich so verdienstvoll für den Weltfrieden einsetzte, gedungene Mörder zu beschäftigen pflegte.
Welche Anstrengungen waren denn eigentlich unternommen worden, um den angeblichen Selbstmord der fünfjährigen Valerie-Marie Padilla aufzuklären? Keine. Und wer war dafür bestraft worden? Niemand.
Carl Glyson, fälschlich eines Verbrechens bezichtigt, in kurzem Prozess verurteilt, im Gefängnis erstochen. Seine Frau Terri, Zina zufolge aus Scham gestorben. Welche Gerechtigkeit hatte es für sie gegeben?
Und Susan Jagger. Durch eigene Hand ermordet, sicher, aber ihre Hand war von einem anderen gelenkt worden.
Die Ermittler davon zu überzeugen, selbst die Ehrenwerten unter ihnen – und das war sicherlich die große Mehrheit –, würde schwierig, wenn nicht gar unmöglich sein. Hinzu kam, dass es eben auch eine Handvoll korrupter Leute gab, die alles tun würden, um die Wahrheit für immer zu begraben und Unschuldige ans Messer zu liefern.
Im Schein einer starken Taschenlampe, die sie im BMW gefunden hatten, suchten sie das Gelände ab und entdeckten zwischen den Ruinen schon bald den alten Brunnen, von dem die beiden Männer gesprochen hatten. Es schien ein natürlicher Schacht im weichen Vulkangestein zu sein, der künstlich erweitert und durch
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