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Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Mauerwerk verstärkt worden war. Er hatte als obere Begrenzung ein niedriges Rundmäuerchen, war aber nicht überdacht.
    Selbst mit der großen Stablampe konnten sie nicht bis auf den Grund des Brunnens leuchten. Die Schneeflocken, die in den Brunnen fielen, taumelten im Lichtkegel der Taschenlampe wie ein Mottenschwarm, bevor sie in der Dunkelheit verschwanden, aus der ein leichter feucht-modriger Hauch aufstieg.
    Mit vereinten Kräften schleppten Dusty und Martie Zacharys Leiche zum Brunnen, hievten sie über die niedrige Mauer und hörten dann, wie sie im Fallen von den unebenen Wänden des Schachts abprallte. Das Geräusch brechender Knochen klang so laut wie Gewehrschüsse, und der Sturz dauerte so lange, dass Dusty sich fragte, ob der Tote jemals den Brunnengrund erreichen würde.
    Als die Leiche unten aufprallte, war nicht ein Klatschen und nicht ein dumpfer Schlag zu hören, sondern ein Geräusch, das wie eine Mischung aus beidem klang. Vielleicht war das Wasser dort unten nicht mehr so ungetrübt wie in alten Tagen, sondern versetzt mit den Ablagerungen aus Jahrhunderten, möglicherweise auch mit den grausigen Überresten früherer Opfer, die in anderen dunklen Nächten hier entsorgt worden waren.
    Auf den Aufprall folgte ein gespenstisches Brodeln, als würde dort unten ein Wesen hausen, das von dem Toten schmauste oder vielleicht auch nur blind zu ertasten suchte, um was es sich da handelte. Wahrscheinlicher aber war, dass die Leiche eine mit Giftgas gefüllte Blase in dem dickflüssigen Sud aufgewirbelt hatte, die nun blubbernd aufstieg und an der Oberfläche platzte.
    Für Dusty war es ein Vorgeschmack auf die Hölle, und Martie musste es, ihrer Leichenblässe nach zu schließen, genauso empfinden. Ein Ableger der Hölle gleich hinter Santa Fe. Und die Arbeit, die noch vor ihnen lag, war die Arbeit der Verdammten.
    Es kostete sie beide große Kraft, die zweite Leiche zum Brunnen zu schleifen, und das nicht nur im physischen Sinn. Der Mann, den sie als Kevin kennen gelernt hatten, hatte mehr Blut verloren als Zachary, anscheinend mehr als die Hälfte der sechs bis sieben Liter, und es war noch nicht vollständig an seinen Kleidern und auf seiner Haut gefroren. Außerdem hatte er offenbar in den letzten Momenten seines Todeskampfs die Gewalt über seinen Schließmuskel verloren, denn er verströmte einen üblen Gestank. Schwer, klebrig, im Tod noch so störrisch wie im Sterben, war er keine leicht zu bewegende Last.
    Noch schlimmer aber war sein Anblick, zuerst im forschenden Strahl der Taschenlampe, wie er so zusammengesunken an der Kivamauer saß, dann im Lichtkegel der Scheinwerfer, als sie ihn zum Brunnen schleppten. Sein Kinnbart aus Blut, seine rot gefleckten Zähne und der rote Oberlippenbart, sein Gesicht grau unter Sommersprossen aus Schnee. Ein so reines, tiefes Entsetzen stand in seinen glasigen Augen, dass er in der Sekunde seines Abschieds von der Welt die Fratze des Todes selbst gesehen haben musste, die sich zum kalten Kuss über ihn beugte – und in den leeren Augenhöhlen im Knochenschädel des Schnitters eine unsägliche Ewigkeit.
    Die Arbeit der Verdammten, und sie war noch nicht vollbracht.
    In grimmigem Schweigen plagten sie sich ab, denn keiner von beiden wagte es, ein Wort zu sagen. Hätten sie über das gesprochen, was sie taten, sie hätten dieses unausweichliche Werk nicht zu Ende führen können. Sie hätten nicht anders gekonnt, als sich mit Grauen davon abzuwenden.
    Sie ließen Kevin in den Schacht fallen, und als er mit einem noch härteren Schlag als sein Partner unten aufkam, war wieder das grässliche Brodeln zu hören. Die Fantasie gaukelte Dusty ein gespenstisches Schauspiel vor, in dem Zachary und Kevin von ihren früheren Opfern begrüßt wurden, albtraumhaften Kreaturen in den verschiedensten Stadien der Verwesung, von Rachedurst zum Leben erweckt.
    Der Boden in New Mexico ist ausgedörrt und unfruchtbar, aber tief unter der Erde des Staates liegt ein Wasserreservoir von so gewaltigen Ausmaßen, dass bisher nur ein winziger Teil davon erforscht werden konnte. Dieser verborgene See wird von unterirdischen Flüssen gespeist, deren Wasser aus den zentralen Hochebenen der Vereinigten Staaten und aus den Rocky Mountains kommt. Die Tropfsteinhöhlen der Carlsbad Caverns sind durch dieses Wasser, das sich einen Weg durch die feinen Risse im Kalkstein gebahnt und ihn aufgelöst hat, entstanden; und zweifellos gibt es noch unentdeckte Höhlensysteme, die groß genug sind, um

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