Stimmen der Angst
schneidende Kälte des Sturmregens vor der Tür.
Beim Verlassen des Aufzugs schaffte es Susan noch, ohne Hilfe zu gehen, aber schon nach vier, fünf Schritten musste sie sich auf Marties Arm stützen. Bis sie die Ausgangstür erreicht hatten, war sie vor Angst nur noch ein erbärmliches Häufchen Elend.
Der Weg zum Auto war eine Qual. Als sie endlich vor dem Saturn standen, tat Marties rechte Schulter weh, und die rechte Halsseite war ganz steif, so krampfhaft hatte sich Susan mit ihrem ganzen Gewicht an sie geklammert.
Susan kauerte sich auf den Beifahrersitz, schlang sich die Arme um den Oberkörper und krümmte sich zusammen, als hätte sie Bauchkrämpfe, und die ganze Zeit über hielt sie den Kopf gesenkt, um jeden Blick auf die weite Welt jenseits der Windschutzscheibe zu vermeiden. »Da oben bei Dr. Ahriman habe ich mich so gut gefühlt«, jammerte sie, »die ganze Sitzung über, wirklich gut. Ich habe mich normal gefühlt. Ich war überzeugt, dass es mir auf dem Heimweg besser gehen würde, wenigstens ein bisschen besser, aber jetzt geht es mir schlechter als auf dem Weg hierher.«
»Das stimmt nicht, Liebes«, sagte Martie, während sie den Motor anließ. »Du warst auch auf dem Herweg schon ein Nervenbündel, glaub mir.«
»Aber ich fühle mich schlechter. Ich habe das Gefühl, dass gleich etwas vom Himmel auf uns herunterstürzen und mich zerquetschen wird.«
»Das ist bloß der Regen«, sagte Martie in das Prasseln des Regens hinein, das auf dem Blechdach des Wagens wie die reinste Kakophonie klang.
»Nicht der Regen. Etwas Schlimmeres. Etwas furchtbar Schweres. Und es hängt direkt über uns. O Gott, wie ich das hasse! «
»Wir werden dir eine Flasche Tsingtao einflößen.«
»Das macht es auch nicht besser.«
»Zwei Flaschen.«
»Ich brauche ein ganzes Fass.«
»Zwei Fässer. Wir trinken uns zusammen einen Rausch an.«
Ohne den Blick zu heben, sagte Susan: »Du bist eine gute Freundin, Martie.«
»Mal abwarten, ob du das immer noch findest, wenn sie uns beide in eine Entziehungsanstalt für Alkoholiker einliefern.«
12. Kapitel
Dusty fuhr vom New Life in niedergedrückter Stimmung nach Hause. Dort wollte er erst mal seine nass gewordene Arbeitskluft gegen trockene Kleider tauschen. An der Verbindungstür zwischen Garage und Küche wurde er von Valet begrüßt, der in hündischer Begeisterung so heftig mit dem Schwanz wedelte, dass sein ganzes Hinterteil in Bewegung geriet. Beim bloßen Anblick des Retrievers hellte sich Dustys düstere Stimmung auf.
Er ging in die Hocke und begrüßte den Hund mit einem Nasenstüber, dann kraulte er ihn zärtlich hinter den samtweichen Ohren und arbeitete sich langsam vom Nacken über die Schulterblätter, das Kinn und die Lefzen bis zu dem dichten Winterfell an der Brust vor.
Herr und Hund genossen diesen Moment der Zärtlichkeit gleichermaßen. Einen Hund zu streicheln, zu kraulen, mit ihm zu schmusen konnte so beruhigend auf den Geist wirken wie eine tiefe Meditation – und so heilsam für die Seele sein wie ein Gebet.
Während Dusty die Kaffeemaschine einschaltete und eine gute kolumbianische Mischung in den Filter löffelte, rollte sich Valet auf den Rücken, streckte alle viere in die Luft und wartete darauf, am Bauch gekrault zu werden.
»Du bist ein richtiges Schmusetierchen«, sagte Dusty. Valet fegte den Kachelboden mit seinem Schwanz. »Wir kommen ja gleich zur Fellpflege«, sagte Dusty, »aber jetzt brauche ich erst mal einen Kaffee. Nichts für ungut.«
Er hatte das Gefühl, dass sein Herz FCKW durch die Adern pumpte statt Blut. Die Kälte drang ihm unter die Haut, bis auf die Knochen, bis in sein tiefstes Inneres. Die Heizung im Lieferwagen hatte es, obwohl auf höchste Stufe eingestellt, nicht geschafft, ihn aufzuwärmen. Jetzt vertraute er auf die Wirkung des Kaffees.
Als Valet einsah, dass er vergeblich auf seine Streicheleinheit wartete, rollte er sich wieder auf die Füße und trottete zu der Toilette hinüber. Er schob die Nase durch den Spalt der nur angelehnten Tür und schnüffelte in die dahinter liegende Dunkelheit.
»Du hast frisches Wasser in deinem Napf in der Ecke«, sagte Dusty. »Oder willst du aus der Kloschüssel trinken?«
Valet drehte sich zu ihm um, richtete aber gleich darauf seine Aufmerksamkeit wieder auf die dunkle Toilette.
Der frisch gebrühte Kaffee begann in die Glaskanne zu tröpfeln, und ein köstlicher Duft zog durch die Küche.
Dusty ging nach oben, wo er Jeans, ein weißes Hemd und einen
Weitere Kostenlose Bücher