Stimmen der Angst
regelmäßigen Ausflüge mochten noch so anstrengend für Martie sein, sie hätte Susan Jagger genauso wenig im Stich lassen können, wie sie ihrem sterbenden Vater, ihrer schwierigen Mutter oder Dusty die kalte Schulter hätte zeigen können.
Sie würde ins Esszimmer hinüber gehen, chinesisch essen, eine Flasche Bier trinken, Binokel spielen und so tun, als würde sie nicht von rätselhaften Ahnungen verfolgt.
Zu Hause würde sie ihren Internisten, Dr. Closterman, anrufen und einen Untersuchungstermin vereinbaren, nur für den Fall, dass sie sich mit ihrer Selbstdiagnose irrte und Stress doch nicht die Ursache ihres Problems war. Sie fühlte sich körperlich fit, aber so hatte sich auch Strahlebob bis zu dem Augenblick gefühlt, als aus heiterem Himmel dieser leichte Schmerz eingesetzt hatte, der die tödliche Krankheit ankündigte.
So albern es auch sein mochte, hatte sie doch immer noch den sauren Grapefruitsaft in Verdacht. Sie hatte ihn in letzter Zeit sehr oft anstelle von Orangensaft zum Frühstück getrunken, weil er weniger Kalorien hatte. Vielleicht erklärte das auch ihren Albtraum von dem Blättermann: die tobende Gestalt aus totem, verfaulendem Laub. Sie konnte eine Probe von dem Saft mitnehmen und Dr. Closterman bitten, ihn untersuchen zu lassen.
Als sie sich schließlich die Hände wusch und noch einmal in den Spiegel blickte, fand sie ihr Aussehen halbwegs normal. Aber gleichgültig, wie sie aussah, sie fühlte sich doch immer noch so, als wäre sie reif für die Klapsmühle.
* Nachdem Dusty die Scherben des zerbrochenen Spiegels aufgekehrt hatte, bekam Valet zur Belohnung, weil er so brav und geduldig gewesen war, einen besonderen Leckerbissen: ein paar Stücke gebratene Hühnchenbrust, die vom Abendessen des Vortags übrig waren. So behutsam, wie Valet die Fleischstückchen aus der Hand seines Herrchens pickte, erinnerte er fast an einen Kolibri, der Zuckerwasser aus einer Vogeltränke nippt; und als alles aufgefressen war, hätten die Engel im Himmel ihrem Herrgott keine anbetungsvollere Liebe entgegenbringen können als die, die sich in Valets Blick für Dusty ausdrückte.
»Du bist wirklich ein Engel«, sagte Dusty, während er ihm zärtlich das Kinn kraulte. »Ein pelziger Engel, der so große Ohren hat, dass er keine Flügel braucht.«
Er beschloss, Valet mitzunehmen, wenn er in Skeets Wohnung und danach zum New Life fuhr. Auch wenn kein Einbrecher im Haus war, fühlte sich Dusty nicht wohl bei der Vorstellung, den Hund allein zurückzulassen, solange er nicht wusste, was mit dem Spiegel passiert war.
»Herrje«, sagte er zu Valet, »wenn ich dich schon so in Watte packe, dann stell dir mal vor, wie unmöglich ich erst mit Kindern sein werde.«
Der Hund lächelte ihn freudig an, als gefiele ihm der Gedanke an Kinder. Und als hätte er verstanden, dass er Dusty auf seinem Ausflug begleiten sollte, lief er zur Verbindungstür zwischen Küche und Garage, wo er geduldig wartend mit seinem zotteligen Schwanz wedelte.
In dem Augenblick, als Dusty in einen Nylonanorak schlüpfte, klingelte das Telefon. Er nahm den Hörer ab.
Nachdem er aufgelegt hatte, sagte er, als wäre er dem Hund eine Erklärung schuldig: »Wollten mir ein Abonnement für die Los Angeles Times aufschwätzen.«
Valet stand mittlerweile nicht mehr aufrecht an der Tür zur Garage, sondern lag davor und döste vor sich hin, als hätte Dustys Telefongespräch nicht dreißig Sekunden, sondern mindestens zehn Minuten gedauert.
Dusty wiegte den Kopf und sagte: »Du hattest eine Powerdosis Hühnchen-Protein, Goldlöckchen. Lass mal ein bisschen Energie sehen!«
Mit einem leidvollen Seufzer stand Valet auf.
In der Garage legte Dusty dem Hund ein Halsband an, befestigte die Leine daran und sagte: »Das Letzte, was ich brauche, ist eine Tageszeitung. Weißt du, wovon es in den Zeitungen wimmelt, Goldlöckchen?«
Valet sah ihn verständnislos an.
»Es wimmelt darin von dem Mist, den die Nachrichtenmacher verzapfen. Und weißt du, wer die Nachrichtenmacher sind? Politiker und Medienleute und Möchtegern-Intellektuelle, Leute, die sich für etwas Besonderes halten und glauben, das Denken für sich gepachtet zu haben. Leute wie Dr. Trevor Penn Rhodes, mein alter Herr. Und Leute wie Dr. Holden Caulfield, Skeets alter Herr.«
Der Hund nieste vernehmlich.
»Genau«, sagte Dusty.
Er hatte sowieso nicht erwartet, dass Valet es sich auf dem Rücksitz zwischen Malerwerkzeug und -materialien bequem machen würde, und tatsächlich
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