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Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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unvollständig – Dr. Ye –, vermutlich weil der Stift beim Versuch, das n zu schreiben, auseinandergebrochen war.
    Daraus war nur eines zu schließen: Skeet hatte sich in eine solche Wut oder Verzweiflung hineingesteigert, dass er in seiner Erregung schließlich zu heftig aufgedrückt hatte, wodurch der Kugelschreiber zerbrochen war.
    Keine Wut, sondern Verzweiflung.
    Skeet neigte nicht zu Wutausbrüchen. Ganz im Gegenteil.
    Er war von Natur aus sanftmütig und dazu noch nach allen Regeln der Kunst mit den Rezepturen sämtlicher Psychopharmaka weichgekocht worden, die ihm eine grimmige Heerschar von Psychiatern mit aggressiven Behandlungsmethoden verabreicht hatte, und das mit der begeisterten Zustimmung von Skeets reizendem altem Herrn, Dr. Holden Caulfield, alias Sam Farner. Das Selbstwertgefühl des Jungen war mit den Jahren der chemischen Behandlung so verblichen, dass er nicht mehr rot sehen konnte; die gröbste Beleidigung, die jeden normalen Menschen in Rage versetzt hätte, entlockte ihm nicht mehr als ein Achselzucken und ein unsicheres, resigniertes Lächeln. Die bitteren Gefühle, die er gegenüber seinem Vater hegte, waren das Äußerste an Wut, dessen er fähig war. Diese mochten ihm bei seinen Nachforschungen über die Herkunft des Professors zwar den Rücken gestärkt haben, aber sie hatten ihm nicht genug Kraft und Standfestigkeit gegeben, um dem verlogenen Mistkerl die Wahrheit ins Gesicht zu sagen.
    Dusty faltete die vierzehn Notizzettel ordentlich zusammen und steckte sie sich in die Hosentasche, dann nahm er die Einzelteile des Kugelschreibers vom Büffet. Es war zwar ein billiger Stift, aber durchaus nicht schlampig verarbeitet. Die Plastikhülle, die ursprünglich aus einem Stück gewesen war, machte einen soliden Eindruck. Es musste ein gewaltiger Druck ausgeübt worden sein, um sie wie einen trockenen Zweig zu zerbrechen.
    Es fiel Dusty schwer, sich vorzustellen, was Skeet in einen Zustand so tiefer Verzweiflung versetzt haben konnte, dass er die für einen solchen Gewaltakt notwendige Kraft aufbrachte.
    Nach kurzem Zögern warf er das, was von dem Kugelschreiber übrig war, in den Müll.
    Valet steckte die Nase in den Abfalleimer und versuchte schnüffelnd zu erkunden, ob es sich bei dem weggeworfenen Objekt vielleicht um etwas Eßbares handelte.
    Dusty zog eine Schublade auf und nahm das Branchenverzeichnis heraus. Er schlug die Rubrik ÄRZTE auf und suchte nach Dr. Yen Lo, aber es gab keinen Eintrag unter diesem Namen.
    Als Nächstes sah er unter PSYCHIATER nach, dann unter PSYCHOLOGEN und schließlich unter THERAPEUTEN . Ohne Erfolg.

17. Kapitel
    Während Susan das Kartenspiel und den Punkteblock wegräumte, beseitigte Martie die Essensreste und spülte dann die Teller unter fließendem Wasser, wobei sie es krampfhaft vermied, das Wiegemesser anzusehen, das neben ihr auf dem Schneidebrett lag.
    Susan brachte ihre Gabel in die Küche. »Die hast du vergessen.«
    Als sie sah, dass Martie schon im Begriff war, sich die Hände abzutrocknen, spülte sie die Gabel selbst und legte sie in den Besteckkasten.
    Anschließend trank Susan ihr zweites Bier im Wohnzimmer, und Martie setzte sich zu ihr. Als Hintergrundmusik hatte Susan Bachs Goldberg-Variationen in einer Einspielung von Glenn Gould gewählt.
    Als junges Mädchen hatte Susan davon geträumt, Violinistin in einem großen Symphonieorchester zu werden. Sie spielte wunderbar Geige; zwar nicht so meisterhaft, dass sie als Konzertsolistin hätte auftreten können, aber doch so gut, dass sie sich ihren etwas bescheideneren Traum hätte erfüllen können. Stattdessen hatte sie sich dafür entschieden, Immobilienmaklerin zu werden.
    Martie hatte sich bis zu ihrem Schulabschluss gewünscht, einmal Tierärztin zu werden. Jetzt entwarf und programmierte sie Videospiele.
    Das Leben hält viele Wege zur Auswahl bereit. Manchmal wählt man den Weg mit dem Kopf, manchmal mit dem Herzen. Und manchmal kann man sich weder mit dem Kopf noch mit dem Herzen dem unerbittlichen Sog des Schicksals entziehen.
    Das silberhelle Klangspiel von Glenn Gould rief Martie von Zeit zu Zeit in Erinnerung, dass es draußen vor den dicht verhängten Fenstern immer noch regnete, obwohl sich der Sturm inzwischen gelegt hatte. So lauschig und heimelig war die Atmosphäre in Susans Wohnung, dass Martie versucht war, sich der gefährlich beruhigenden Vorstellung zu überlassen, es gäbe keine Welt jenseits dieser schützenden Mauern.
    Die beiden Frauen unterhielten sich über

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