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Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Besucher vielleicht als Aufforderung betrachten; vielleicht waren Rüschen ein Signal für ihn, sein schmutziges Geschäft noch weiter zu treiben.
    Eine Zeit lang hatte sie in weiten, unkleidsamen Männerpyjamas geschlafen, dann in einem schlabberigen Trainingsanzug. Der Kerl hatte sich durch nichts abschrecken lassen.
    Vielmehr hatte er sich jedes Mal, nachdem er sie erst ausgezogen und dann grob missbraucht hatte, die Zeit genommen, sie mit geradezu zynischer Liebe zum Detail wieder anzukleiden. Wenn sie vor dem Schlafengehen die Knöpfe des Pyjamas bis zum Hals geschlossen hatte, knöpfte er ihn ebenfalls ganz zu; wenn sie aber einen Knopf offen gelassen hatte, stand er auch am Morgen offen. Er benutzte exakt die gleiche Schleife wie sie, um die Zugschnur in der Taille zuzubinden.
    Nun also schlichte Baumwolle. Ein Zeichen ihrer Unschuld. Eine Weigerung, sich demütigen und besudeln zu lassen, was immer er ihr auch antun mochte.
    *
    Marties plötzliche Apathie beunruhigte Dusty. Sie hatte behauptet, todmüde zu sein, aber ihrem Verhalten nach zu urteilen, verfiel sie gerade in eine tiefe Depression, nicht in einen Zustand äußerster Erschöpfung.
    Ihr Gang war schleppend, aber nicht das kraftlose Schlurfen eines erschöpften Menschen, sondern das verbissene Vorwärtstrotten einer Person, die eine erdrückende Last mit sich herumschleppt. Und auch ihre Züge waren nicht vor Müdigkeit erschlafft, sondern so angespannt, dass sich ein Netz scharfer Linien um Mund- und Augenwinkel gebildet hatte.
    Was die Zahnpflege betraf, kannte Martie normalerweise kein Pardon, aber an diesem Abend hatte sie keine Lust, sich die Zähne zu putzen. Das war in den drei Jahren ihrer Ehe noch nie vorgekommen.
    Soweit Dusty sich erinnern konnte, hatte sie es auch noch nie versäumt, sich abends das Gesicht zu waschen, eine Feuchtigkeitscreme aufzutragen und die Haare zu bürsten. Nichts davon an diesem Abend.
    Ohne die üblichen abendlichen Rituale und vollständig angezogen legte sie sich aufs Bett.
    Als Dusty klar wurde, dass sie ihre Kleider nicht ablegen würde, knotete er ihre Schnürsenkel auf und zog ihr die Schuhe aus. Dann streifte er ihr die Socken und danach die Jeans ab. Sie wehrte sich nicht dagegen, machte aber auch keinerlei Anstalten, ihm zu helfen.
    Martie aus der Bluse zu schälen war ein schwieriges Unterfangen, weil sie mit angezogenen Beinen auf der Seite lag und die Arme vor der Brust verschränkt hatte. Also deckte Dusty sie so, wie sie war, bis zum Hals zu, strich ihr die Haare aus dem Gesicht und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.
    Obwohl ihr die Augen vor Müdigkeit fast zufielen, zeichnete sich darin deutlich etwas ab, was stärker als ihre Erschöpfung war.
    »Lass mich nicht allein«, sagte sie mit belegter Stimme.
    »Das werde ich nicht.«
    »Du darfst mir nicht trauen.«
    »Doch, das tue ich.«
    »Schlaf nicht ein!«
    »Martie …«
    »Versprich mir, dass du nicht einschläfst!«
    »Also gut.«
    »Versprich es!«
    »Ich verspreche es.«
    »Sonst bringe ich dich vielleicht im Schlaf um«, sagte sie, während ihr die Augen langsam zufielen, deren Farbe sich, kurz bevor sich die Lider endgültig schlossen, von Kornblumenblau über ein bläuliches Violett in ein eigenartiges Krapprot zu verändern schien.
    Er blieb vor ihr stehen und beobachtete sie, nicht weil er ihre Warnung ernst nahm und um sein Leben fürchtete, sondern aus Angst um sie.
    Halb schon im Schlaf murmelte sie: »Susan.«
    »Was ist mit ihr?«
    »Ist mir gerade eingefallen. Habe dir das mit Susan gar nicht erzählt. Komische Sache. Sollte sie eigentlich anrufen.«
    »Du kannst sie morgen früh anrufen.«
    »Eine schöne Freundin bin ich«, sagte sie mit schleppender Stimme.
    »Sie wird Verständnis dafür haben. Schlaf jetzt einfach. Ruh dich aus.«
    Sekunden später war Martie eingeschlafen. Sie atmete mit leicht geöffneten Lippen durch den Mund. Die Linien der Anspannung um ihre Augenwinkel hatten sich geglättet.
    Zwanzig Minuten darauf saß Dusty im Bett, ließ die verworrene Geschichte, die Martie ihm erzählt hatte, im Geist noch einmal rückwärts abspulen und versuchte gerade, die Knoten darin zu entwirren und sich einen Reim darauf zu machen, als auf einmal das Telefon klingelte. Um nicht im Schlaf gestört zu werden, hatten sie im Schlafzimmer das Rufzeichen ausgeschaltet – was er jetzt also hörte, war der Apparat in Marties Arbeitszimmer; nach zwei Klingeltönen schaltete sich der Anrufbeantworter ein.
    Er nahm an, dass Susan am

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